leipzigart  KUNSTJOURNAL



Bürgermeister und Verwaltung unterlaufen nach wie vor Stadtratsbeschluß von 2008

Warum keine 5 Prozent für die Freie Kultur in Leipzig?
Presseerklärung der Initiative Leipzig + Kultur vom 17.07.2012
 
In der Stadtratssitzung am 18. Juli soll entschieden werden, wie der Ratsbeschluss von 2008, der der Freien Kulturszene einen Anstieg der Fördermittel auf 5 Prozent vom Kulturetat im Jahr 2013 zusichert, umgesetzt werden soll. Dazu liegen ein Verwaltungsvorschlag und ein Änderungsantrag des Fachausschusses Kultur auf dem Tisch (siehe Anhang).
Um es kurz zu machen: Beide erfüllen nicht den Beschluss von 2008, weil in beiden die Fördersteigerung bis 2015 hinausgezögert werden soll. Zwei verlorene Jahre für die freie Kulturszene. Und in beiden werden weiterhin Einrichtungen mit eigener Haushaltsstelle, wie das Mendelssohn-Haus und das Gohliser Schlösschen aus dem Topf der Freien Szene bedient, was den Kulturinitiativen und Freien Künstlern jedes Jahr 381 Tausend Euro entzieht.
Und doch unterscheiden sich beide Ansätze grundsätzlich: Während sich der Kultur- und der Oberbürgermeister - wie von Michael Faber in den letzten Wochen mehrfach auch den Medien gegenüber geäußert - von den 5 Prozent gänzlich verabschiedet haben und nun die Bemessungsgrundlage schamlos so weit runtertricksen, dass ihre "5 Prozent" exakt den angestrebten 5 Mio entsprechen, rechnet der Kulturausschuss realistisch. In seinem Änderungsantrag legt er die tatsächliche Summe aller Zuschüsse für Kulturarbeit zugrunde und zieht daraus die 5 Prozent für die Freie Kulturszene.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Während echte 5 Prozent von den Kulturzuschüssen (aktuell: 107,5 Mio) eine Förderung für die Freie Kultur von 5,375 Mio bedeuten würden, tricksen die Bürgermeister die Berechnungsgrundlage auf 99,96 Mio runter und kommen so auf 4,99 Mio - im Jahr 2015 !!! Das sind weitere 385 Tausend Euro weniger. Und das ist kein Pappenstiel, wenn man weiß, dass diese Summe der aktuellen Förderung der Kulturzentren ANKER, naTo, GeyserHaus und des Halle 14 e.V. zusammen entspricht.
Die Initiative Leipzig + Kultur hat in jahrelangen Verhandlungen und öffentlichen Stellungnahmen immer wieder darauf hingewiesen, dass die Umsetzung des ursprünglichen Stadtratsbeschlusses nicht "nebenbei" erfolgen kann, sondern jährliche Erhöhungsschritte notwendig gewesen wären. Mit ihrer Hinhaltetaktik hat die Verwaltung eine Verwässerung des ursprünglichen Beschlusses erreicht, indem permanent an der Berechnung rumgetrickst und Einrichtungen mit vormals eigenen Haushaltsstellen aus dem Topf der Freien Kulturszene gefördert wurden, wodurch ein Anstieg der Fördermittel vorgespiegelt wurde.
Jetzt sind alle genervt, keiner weiß mehr genau, worum es geht und alle wollen das leidige Thema schnellstmöglich vom Tisch haben. Das Nachsehen hat die Freie Kulturszene. Ihre Leistung für das Kulturleben unserer Stadt wurde 2008 mit einem Stadtratsbeschluss gewürdigt: 5 Prozent der städtischen Kulturmittel sollte es geben für 50% aller Kulturangebote in Leipzig.
Aber Realpolitik sieht anders aus. Während bei den städtischen Kulturbetrieben Millionen draufgepackt werden, um nur ja nichts verändern zu müssen - obwohl das von der Stadt in Auftrag gegebene actori-Gutachten dringend Strukturreformen anmahnt - werden die Kulturmacher ohne Tarifverträge wieder einmal am Ring durch die Manege geführt. Was der Oberbürgermeister hier betreibt, ist Kulturabbau in doppelter Hinsicht: Die Manifestierung der ineffektiven und überbordenden Strukturen in den Eigenbetrieben wird den Kulturinfarkt - auch in Leipzig - beschleunigen und das "Kurzhalten" der Freien Kulturszene raubt ihr die Möglichkeit, ihre Potentiale für neue, aktive und partizipative Kultur auszuschöpfen.
Aus diesem Grund wird die Initiative Leipzig + Kultur bei der Ratsversammlung am Mittwoch präsent sein und OBM Burkhard Jung mehr als 3000 gesammelte Unterschriften übergeben, die für eine Förderung der Freien Kultur mit echten 5 Prozent gegeben wurden.
Der Verwaltungsvorschlag ist aus unserer Sicht vollkommen indiskutabel. Sollte der Stadtrat dem Änderungsantrag des Kulturausschusses zustimmen, so werten wir dies als Anerkennung des reellen Finanzierungsbedarfes freier Kulturarbeit und werden in weiter führenden Gesprächen darauf dringen, die Förderung weiter in Richtung der angestrebten echten 5 Prozent zu entwickeln. Denn die Leipziger wollen reale "Fünf für Leipzig" - und wir brauchen sie!
Genau genommen gibt es aber noch einen dritten Weg: Wenn der Stadtrat weder der Verwaltungsvorlage noch dem Änderungsantrag zustimmt, dann gilt weiterhin der Stadtratsbeschluss von 2008: 5 Prozent vom Kulturetat für die Freie Kulturszene im Jahr 2013.



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