leipzigart  KUNSTJOURNAL


 

DIE GERÄUSCHE EINER ODOL-FLASCHE

Bilder und Objekte von Harald Bauer in der art-KAPELLA in Schkeuditz

Bei der Frage nach Karl August Ferdinand Lingner dürfte sich die Antwort überwiegend auf ein murmelndes Bekenntnis zur eigenen Unwissenheit reduzieren. Dabei ist Linker der Schöpfer eines Stoffes, das Pflege und Geruchsqualität der Mundhöhle neue Wege bereitete. Denn der Arzt und Initiator des Hygienemuseums in Dresden erfand das Idol. Harald Bauer, seit 1948 in Leipzig, würdigt ihn mit einer gigantischen Odol-Flasche, aus der klopfende und hämmernde Geräusche dröhnen. Neben dieser Klangskulptur sind bis zum 4. Juli in der art-KAPELLA Schkeuditz noch andere Objekte und Materialbilder von Bauer ausgestellt. Er bindet sich an Traditionen des 20. Jahrhunderts, die bei kubistischen und dadaistischen Collagen oder Assemblagen Picassos und Schwitters beginnen. Der Amerikaner Rauschenberg, der Italiener Burri und Tapies aus Spanien erweiterten und verfeinerten dann später diese Anfänge. Bei verschiedenen Ansatzpunkten und ästhetischen Vorstellungen vereint diese Künstler die Verarbeitung alltäglicher Gegenstände, die den gebräuchlichen Vorstellungen künstlerischer Mittel nicht entsprechen. Harald Bauer, geb. 1938 und Autodidakt, verwendet dabei metallischen Schrott, Sackleinen, anderen Stoffabfall und Schilder aus Email. Doch rüttelt er nicht lautstark an festgezurrten Gewohnheiten, betreibt weder Müllkult noch radikale Zivilisationskritik. Er stellt weggeworfene Artikel in neue Zusammenhänge und läßt Strukturen und natürliche Beschaffenheit des Materials selbst wirken. Dabei geht Bauer mit einer edlen Zurückhaltung ans Werk. Oft sind es tonige Werte, welche die großen, überschaubaren Flächen bestimmen und den Eindruck von Erdschichten in verschiedenen Fruchtbarkeitsstufen vermitteln. Doch haben die Farben in den letzten Jahren an Intensität gewonnen. Jetzt leuchten auch schon einmal sonniges Gelb und markantes Rot vor abgrundtiefer Finsternis

Die Objekte haben immer einen ironischen Ansatz. Die Huldigung an den Radsport-Recken Fausto Coppi aus Eisen und Sandstein sowie die Klangskulptur "Tridong" mit Blechtonnen und Schubkarre erlauben dabei heiter-sarkastische Interpretationsspiele. Diese Ausstellung mit Arbeiten von hoher Ästhetik und ohne überflüssige Effekte sollte alle Verfechter einer anspruchsvollen Kunst in die Galerie vor den Toren Leipzigs treiben.

Jürgen Henne

art-KAPELLA Schkeuditz, Alter Friedhof, Teichstraße, täglich 13-19 Uhr, bis 4. Juli

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