leipzigart  KUNSTJOURNAL


 

Interwiev mit Jost Braun, Intendant des Internationalen Festivals für Figuren-, Objekt- und Anderes Theater

Übernahme vom Sachsensonntag / 13. Oktober 2002

Weg vom "Kasperle"-Klischee!

Es gibt im Festival-Betrieb ja immer so die Momente, die Jost Braun für all die Anstrengungen und den Stress im Vorfeld eines jeden "Puppen+Spiel+Leipzig"-Festivals entschädigen. "Es ist schon ein wahnsinnig tolles Gefühl, wenn man bei einer Aufführung spürt 'Es funktioniert'. Wenn eine gewisse Spannung im Saal entsteht, das Publikum voller Aufmerksamkeit die Inszenierung verfolgt - dies sind wirklich schöne Momente", überlegt der kümstlerische und organisatorische Leiter des Internationalen Festivals für Figuren-, Objekt- und anderes Theater, das er vor nunmehr zehn Jahren, im Jahre 1992, erstmals auf die Beine stellte. Doch seine Liebe zum Puppenspiel entbrannte schon einige Zeit zuvor - bereits vor der Wende hatte er "Brauns Neues Puppentheater" ins Leben gerufen

Mit dem Theater hatte Jost Braun eigentlich schon immer zu tun - lag auch irgendwie in der Familie. "Meine Eltern und viele Bekannte arbeiteten am Theater, da hatte ich eigentlich sofort ein sehr natürliches Verhältnis dazu - nicht so von der Ehrfurcht vor dem 'Musentempel' geprägt" und eigentlich wollte er ja auch einmal Bühnenbildner werden. Für den richtigen Kick hin zum Puppentheater sorgte denn die Frau, die einst in Berlin Puppenspiel studierte. Da war der Weg nicht mehr allzu weit bis hin zu jenem Tag, an dem Jost Braun es auch selbst mal in den Fingern juckte und dies ja schon im wahrsten Sinne des Wortes. Ganz so einfach war es allerdings nicht, sich in Leipzig mit diesem Thema zu beschäftigen: "Zu DDR-Zeiten gab's hier ja ein gewisses Vakuum. Während in allen anderen Bezirksstädten an den staatlichen Theatern auch das Puppenspiel gepflegt wurde und zudem freie Gruppen aktiv waren, war Leipzig da gewissermaßen ziemlich draußen." Strukturen Fehlanzeige. Pionierarbeit war angesagt und dies im wahrsten Sinne des Wortes, eine Pionierarbeit, mit der Jost Braun bereits vor der Wende begann.

"In den 80er Jahren habe ich so richtig angefangen, damals 'Brauns Neues Puppentheater' aus der Taufe gehoben", erinnert er sich und fügt hinzu, dass er schon zu dieser Zeit so dem gängigen "Kasperle-Theater-Klischee nach Kräften entfliehen mochte. "Ich weiß noch genau, dass unser erstes Stück in den 80er Jahren gleich eine Erwachseneninszenierung war. Eigentlich war's ein echter Nonsens-Krimi, bei dem es eben auch entsprechend derb zur Sache ging. Hat wirklich sehr viel Spaß gemacht."

Eine Erfahrung sammelte Jost Braun bei dieser Gelegenheit rnit der eigenen Truppe: Auch in Leipzig gibt es ein dankbares Publikurn, das sich dem Puppenspiel eben auch außerhalb der Klischees verbunden fühlt. Eine Basis, auf der nach der Wende aufgebaut werden konnte: "Da hatten wir die Chance, in einer Galerie zu spielen und haben die auch sofort genutzt. Und dann ging das Schneeball-Prinzip so richtig los: Von Mal zu Mal kamen mehr Besucher, um sich die Inszenierungen anzuschauen. Da war eigentlich klar: Der Bedarf ist definiv da" Und da kam dem umtriebigen Leipziger 1992 die Idee, es doch einmal mit einem eigenen Festival in der Messestadt zu versuchen. Gesagt getan: Vor genau zehn Jahren ging zum ersten Male ein "Puppen+ Spiel+Leipzig" in der Moritzbastei über die Bühne.

Auch wenn die Strukturen nach wie vor noch nicht existieren - es wurde eine Premiere, die jede Menge Mut machte. "Schließlich haben wir die ganze Sache rein aus privaten Mitteln finanziert und anfangs eigentlich auch nur mit Künstlern gearbeitet, die wir gut kannten und bei denen eine gewisse Vertrauensbasis da war", denn große Sprünge in finaniieller Hinsicht konnte und kann das "Puppen+ Spiel+Leipzig"-Festival nicht machen.

Doch auf der anderen Seite erwiesen sich die Messestädter als höchst dankbares Publikum - in den folgenden Jahren ging's stetig bergauf, Jahr für Jahr kamen mehr Besucher und honorierten damit auch das Bestreben von Jost Braun, vom "Puppenspiel"-Klischee wegzukommen. "Für mich war es eigentlich immer ein ganz wichtiges Anliegen, die gesamte Bandbreite zu zeigen. Es gibt ja inzwischen auch Formen wie das Objekttheater, bei dem es überhaupt keine Puppen mehr gibt. Die Intention ist, in Leipzig interessante und innovative Formen von Theater zu präsentieren", erklärt der organisatorische und künstlerische Leiter des Festivals - auch wenn es nicht selten ziemlich schwierig ist, dieses "Kasperle"-Klischee loszuwerden.

Doch auch hier hat sich die Pionierarbeit gelohnt - längst hat sich das Leipziger Festival unter den Puppenspielern und Theatermachern im In- und Ausland einen sehr guten Ruf erspielt. Dies bekommt auch Jost Braun immer wieder zu hören: „Man schätzt das fachkundige und sehr aufmerksame Publikum - es hat sich in der Tat schon sehr weit herumgesprochen, dass ein Auftritt in der Messestadt sehr gut läuft." Vor allem unter den jungen Leuten ist das "Puppen+Spiel+Leipzig" ziemlich beliebt.

Und gerade diese spannende Atmosphäre in Leipzig ist es, die immer wieder auf's Neue bekannte und durchaus berühmte Meister Ihres Faches in die Messestadt fiihrt. Auch wenn es in der Regel alles andere als einfach ist, gestandene und trotzdem innovative Puppenspieler zu engagieren - und dies ist nicht nur den allgegenwärtigen finanziellen Zwängen geschuldet. Manche Leute sind schlicht auch ununterbrochen ausgebucht.

Beispiel Neville Tranter mit dem Stuffed Puppet Theatre Amsterdam, der mit dem Stiick "RE:Frankenstein" einen der absoluten Höhepunkte des Festivals beisteuert: "Ehrlich, da habe ich vor drei Jahren in Berlin per Handschlag den Termin klar gemacht. Anders wäre es gar nicht möglich gewesen, diesen Mann mal nach Leipzig zu holen, aber dies hat sich definitiv gelohnt, weil das Stück eine tolle Verbindung zwischen Schauspiel und Puppenspiel ist." Ein echter Geheimtipp ist zudem die französische Compagnie LaLoupiote, deren deutschsprachiges Schattentheater-Stück „Le Voyage Mirobolant - Die wunderbare Reise" manchmal an die fantastische Bildwelt des Malers Juan Miro erinnert.

Das Puppenspiel lässt Jost Braun also nicht los - und er möchte das Festival in Leipzig noch möglichst häufig in Szene setzen. Auch wenn das "ganze administrative Drumherum schon manchmal nervt und vor allem jede Menge Zeit raubt. Aber es macht nach wie vor riesigen Spaß". Nichtzuletzt wegen der echten Fans, die auch die Inszenierungen, bei denen Jost Braun mitarbeitet, mit ganzer Seele begleiten: "Für das Stück 'Rapunzel' haben wir gemeinsam mit dem Musiker Albrecht Wiegner einige Songs geschrieben.Und plötzlich gab's da eine richtige Fanbewegung, was die Texte angeht - da wurden uns etliche und wirklich gute Ideen geschickt."

Und in solchen Situationen ist Jost Braun denn doch ziemlich stolz, dass sich die Pionierarbeit schon ein Stück weit gelohnt hat. "Ich glaube, dass hier in Leipzig in Sachen Puppenspiel doch mehr passiert als vor zehn Jahren, hat schon auch eine ganze Menge mit dem Festival zu tun. Und es ist doch schön zu sehen, wenn sich etwas immer weiter entwickelt".

J. Wagner

 

Infos zum Leipziger Festival: http://www.theatreart.de

 

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