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Frischer Wind in Leipzigs Kulturverwaltung? Der junge CDU-Politiker Robert Clemen tritt zur Neuwahl des Kultur-Beigeordneten im August gegen Alt-Kultur-Verwalter Georg Girardet an, den sich viele Kulturmacher der Stadt schon längst weggewünscht haben...

LVZ-Redakteur Thomas Müller fragte den CDU-Mann nach seinen Beweggründen und Zielen.
(Zitat aus der LVZ vom 31.05.2001)

Frage: Wer hat es geschafft, Sie zu der Kandidatur zu überreden?

Robert Clemen: Gute Freunde aus Kultur und Politik.

Stimmt es, dass Sie anfangs gar nicht als Bewerber bereit standen?

Ja. Mir schien das Risiko zunächst zu hoch, zu verlieren und dadurch einen Imageverlust zu erleiden.

Besteht das Risiko nicht nach wie vor?

Es ist inzwischen zweitrangig. Wenn die CDU sich für eine Kurskorrektur ausspricht, muss sie auch einen Kandidaten nominieren.

Viele meinen aber, Sie sind die dritte Wahl, weil sich kein prominenterer Bewerber fand. Wie gehen Sie damit um?

Es stimmt, das zunächst Leute im Gespräch waren wie Michael Wolfssohn. Aber es ist Unsinn, von dritter Wahl zu reden. Ich bin seit 1999 sächsischer Kultursenator. Die sächsische Kulturpolitik ist nicht dritte Wahl. Wer dafür verantwortlich ist, kann auch nicht dritte Wahl sein.

Was tut ein Kultursenator?

Der Kultursenat berät die sächsische Regierung in Kulturfragen. Ich bin einer von drei Senatoren, die der Landtag in den Senat gewählt hat.

Aber Sie sind ein sehr junger Mann. Fühlen Sie sich vom Lebensalter, von Ihren Erfahrungen her einem Beigeordnetenposten in dieser sensiblen Branche gewachsen?

Das ist typisch Leipzig, dass es als Problem gilt, wenn jemand jung ist. Hier werden junge Leute oft vergrault, man nimmt ihnen die Entwicklungschancen. Nehmen Sie zum Beispiel Ines Krautwurst oder Irina Pauls.

Aber in dem von Ihnen angestrebten Job geht es um Kulturpolitik, nicht um Gesang oder Ballett.

Ich verstehe mich mehr als Macher, nicht so sehr als Verwalter wie der jetzige Amtsinhaber. Auch weil ich selbst aus der Kultur komme. Ich habe als Musiker schon selbst eine Band gründet, in der DDR-Rockszene mitgemischt, in einer Jazzband gespielt und im Kabarett musiziert. 1989 begann ich im Rundfunksinfonieorchester und zugleich mit Kulturpolitik - im Demokratischen Aufbruch und später in der CDU. Ich kenne viele Leute und habe immer versucht, Vereine, Initiativen und Personen zu vernetzen, um die Sache voranzubringen. Ich denke, dass das eine gute Voraussetzung für diesen Job ist.

Was kritisieren Sie an Amtsinhaber Georg Girardet?

Ich schätze ihn, bin aber der Meinung, dass er nicht zu unpopulären, für die Betroffenen womöglich schmerzhaften Entscheidungen bereit ist. Und dass er die Prioritäten in der Kulturentwicklung falsch setzt. Die Symbolkraft großer Einrichtungen wie des Völkerschlachtdenkmals und der Kongreßhalle für uns Leipziger hat er nicht verstanden und geht die Sanierung deshalb zu zaghaft an. Und er kann die vielen Akteure der Leipziger Kulturszene nicht miteinander vernetzen. Wir haben viele Leuchttürme, aber keine Bindeglieder dazwischen.

Was meinen Sie damit?

Es gibt zum Beispiel einen hochkarätigen Chor beim MDR mit reichen Erfahrungen bei der Bach-Präsentation. Aber zum Bachfest wird der nur unzureichend einbezogen. Würde dieser Chor stärker ins städtische Kulturleben integriert, hätte man sich zum Beispiel die problematische Umstrukturierung des Gewandhauschors zu einem halbprofessionellen Chor sparen können. Oder: Warum kann man die Musikhochschule, die über eine erstklassige Abteilung für Alte Musik verfügt, nicht nutzen, um zu einer zeitgemäßen Aufführungspraxis von Renaissance- und Barockmusik zu finden?

Resultieren solche Probleme nicht auch daraus, dass es gerade in der Kultur sehr schwer ist, die unterschiedlichen Interessen aller wichtigen oder sich für wichtig haltenden Menschen unter einen Hut zu bringen?

Das glaube ich nicht. Wäre ich Kulturdezernent gewesen, hätte zum Beispiel das Gewandhaus diesen semiprofessionellen Chor nicht bekommen. Da muss man aber auch den Mut haben, das auszudiskutieren, Entscheidungen zu treffen und Kritik einzustecken von denen, die sich benachteiligt fühlen.

Welche neuen Akzente würden Sie als Beigeordneter setzen?

Ich würde dem Völkerschlachtdenkmal eine höhere Priorität geben und die 200-Jahr-Feier der Völkerschlacht im Jahr 2013 zusammen mit dem Umland zu einem Riesen-Event machen. Dass man das Denkmal zehn Jahre lang so verwahrlosen ließ, halte ich für kulturpolitisches Versagen. Auch, dass die Kongreßhalle in so schlimmem Zustand ist. Außerdem will ich der MuKo eine Zukunft geben. Das Haus ist ein Juwel für die Stadt, wurde aber vom bisherigen Opernintendanten und von der Stadtverwaltung völlig vernachlässigt. Mein Vorschlag ist, die MuKo aus der Oper herauszulösen und dafür eine eigene Firma zu gründen - mit privaten Partnern, die dabei helfen, neue Vermarktungsmöglichkeiten zu finden.

Die Kritik am Amtsinhaber, die dabei mitschwingt, ist nicht sehr überzeugend. Schließlich war die CDU die letzten zehn Jahre nicht in der Opposition und hätte im Stadtrat durchsetzen können, dass Völkerschlachtdenkmal und Kongreßhalle viel früher saniert werden.

Diesbezüglich waren die Mehrheiten oft nicht auf unserer Seite, deshalb konnten wir es nicht durchsetzen. Was Oper und MuKo betrifft, habe ich mich mehrfach massiv für Veränderungen eingesetzt. Ich habe mich schon vor mehreren Jahren dafür ausgesprochen, den Vertrag von Opernintendant Zimmermann nicht zu verlängern, weil ich meine, dass man nicht zuerst Oper fürs internationale Feuilleton machen darf, sondern die Wünsche der Bürger in den Mittelpunkt stellen muss, die hier ihre Steuern zahlen. Daraufhin hat Herr Zimmermann mich in der Oper zur unerwünschten Person erklärt.

Mehrheitsmeinung in Ihrer Fraktion war das aber auch nicht, was Sie da jetzt sagen.

Ja, das stimmt. Erst seit den Wahlen von 1999 äußert sich die CDU-Fraktion sehr einheitlich und akzentuiert dazu. Unsere Vorgänger sahen das teilweise anders.

Wird ein Kulturbeigeordneter nicht immer Prügelknabe sein, weil in seinem Ressort die Schere zwischen Wünschenswertem und Bezahlbarem besonders weit auseinanderklafft?

Auf jeden Fall.

Relativiert das nicht Ihre Kritik?

Nein. Zumal Herr Girardet viele Reserven gar nicht ausschöpft. Unter anderem leistet er sich - auf die Einwohnerzahl bezogen - das größte Kulturamt Deutschlands. Oder ein Gewandhausorchester mit 165 Leuten. Das ist auch deshalb ein Problem, weil der Kulturraum Leipzig 70 Millionen Mark im Jahr vom Freistaat bekommt und die Landräte umliegender Kreise sagen: Wir sind nicht mehr bereit zu akzeptieren, dass Leipzig einen Großteil dieses Geldes ausgibt, um sich das größte Orchester der Welt leisten zu können.

Aber mit ein paar gestrichenen Stellen im Orchester und im Kulturamt bekommen Sie 70 Millionen für die Sanierung der Kongreßhalle oder 30 Millionen fürs Völkerschlachtdenkmal längst nicht zusammen.

Das stimmt, zumal ich einen Teil der eingesparten Orchesterstellen in einen Pool geben würde, damit als Begleitorchester des Thomanerchors ein Ensemble entsteht, das Alte Musik originalgetreu spielen kann. Dafür müssen von der Bachstadt Leipzig endlich mal Impulse ausgehen. Bei Kongreßhalle und Denkmal ist klar, dass die Sanierung ein paar Jahre dauert. Aber wenn Leipzig erstmal zeigt, dass damit ernsthaft angefangen wird, lassen sich auch Fördermittel beschaffen.

Was halten Sie von der Prioritätenliste, mit der die Verwaltungsspitze jetzt die Wertigkeit der städtischen Museen festgeschrieben hat?

Nichts. Für sowas muss sich ein Beigeordneter erstmal Mehrheiten in den Fraktionen suchen. Aber wenn die Mehrheiten dann entschieden haben, dann muss man es auch umsetzen.

Aber solche Entscheidungen fallen schwer. Beispiel Vereinsförderung, wo Jahr für Jahr immer weniger Geld zur Verfügung steht. Wie würden Sie es verteilen?

Ich würde die Situation analysieren und schauen, ob Synergien möglich sind, auch zwischen den Vereinen - damit nicht fünf das Gleiche machen und gleichermaßen Geld wollen. Zurzeit fehlt jemand, der solche Diskussionen moderiert.

Der OBM und die SPD-Fraktionsspitze haben sich für die Wiederwahl von Amtsinhaber Girardet ausgesprochen.Von wem erhoffen Sie sich Stimmen, um in das Amt gewählt zu werden?

Es ist doch die Frage, ob der OBM und die SPD das Risiko eingehen wollen, dass dann vielleicht ihre eigenen Beigeordneten-Kandidaten keine CDU-Stimmen und damit eventuell keine Mehrheiten bekommen. Ich hoffe das nicht. Wenn CDU und SPD den Willen haben, weiterhin zusammenzuarbeiten, sollte sich das auch in solch einer Personalentscheidung zeigen.

 

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