leipzigart  KUNSTJOURNAL



Faber oder Koelsch. Leipziger Kulturbürgermeister-Kandidat Michael Faber sorgt mit seiner Problemgruppentheorie für Aufregung und Spaß

Wenn der Leipziger Kultubeigeordneten-Kandidat Michael Faber die Freie Szene Leipzigs eher als sozialen Kompensationsraum für Problemgruppen denn als kulturellen Raum mit überregionaler Ausstrahlung sieht, kann man den Denkansatz zwar partiell nachvollziehen aber nicht akzeptieren. Dann müßte er die Szene zunächst teilen in die soziokulturellen Initiativen und die freien Kunst- und Kulturmacher und auch in diesem Bereichen wiederum differenzieren zwischen Amateuren und Profis, Freizeitbeschäftigung und Berufstätigkeit. Und wozu gehört dann z.B. das Theater im Globus, ein Freies Theater, welches sich mit eigenen Produktionen und Gastspielen professionell und ohne städtische Unterstützung seit vielen Jahren um hochwertige Angebote für Kinder, Familien und Erwachsene im Rahmen überregional anerkannter und in der Stadt beliebter Veranstaltungsreihen und Festivals mit internationaler Beteiligung und Ausstrahlung kümmert? Nicht zur Freien Szene mit ihren "Problemgruppen", denn sein Publikum setzt sich aus allen sozialen Schichten und aus allen Altersgruppen zusammen: aus Theaterkennern, Studenten, Schülern, Vorschülern, Kindergartenkindern, Familien, Senioren. Und auch nicht zu den städtisch gestützten, festen Theatereinrichtungen ...
Andererseits sind ja alle Publikumsgruppen irgendwie Problemgruppen, denn es besteht das Problem, kulturelle Angebote für sie zu finanzieren, z.B. Schülern und Kindergartenkindern Gruppenermäßigungen zu gewähren, neue Produktionen auf die Beine zu stellen, Gastspiele interessanter Künstler einzukaufen, geeignete Aufführungsorte zu finden etc. und alles ohne Hilfe aus der Stadtverwaltung. Und dann "kompensieren" natürlich auch Lehrer und Erzieher ein "Problem" mit der Ferien- und Unterrichtsbetreuung, indem sie mit ihren Schützlingen ins Theater zu interessanten Vorstellungen gehen oder mit den Theaterleuten Kurse und Projekttage vereinbaren. Festivalgäste von fern und nah "kompensieren ihr Problem" des Interesses an ausgesucht innovativem Figurentheater, indem sie alljährlich im Oktober in Leipzig zahlreich zum globus-Festival kommen. Und dann sind die Macher auch Problemgruppen, weil sie die Stadtverwaltung vor das Problem stellen, ihnen und dem Publikum, also den Bürgern und Besuchern der Stadt verpflichtet zu sein ohne diese Verpflichtung einhalten zu wollen und deshalb als kulturlos, inkompetent und asozial dazustehen. Demnach ist die Stadtverwaltung selbst eine Problemgruppe, weil sie Probleme nicht lösen hilft und zusätzliche verursacht. Jeder gehört also zu irgendeiner Problemgruppe oder oft zu mehreren gleichzeitig.
J.B.

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