leipzigart  KUNSTJOURNAL



globus '06 - 15. Festival für Figuren-, Objekt- und Anderes Theater
Das Jubiläum vom 1. bis zum 27. Oktober 2006

Schneewittchen in der Wasserstadt mit dem Theater Fundus-Marionetten-Dresden

"Uhuuuuh, Uhuuuuh." Die Augen der Eule beginnen zu leuchten. "Uhuuuuh." Nach ein paar Flügelschlägen erhebt sie sich in die Lüfte, um Schneewittchen den Weg durch den dunklen Wald zu weisen.
Mit äußerster Liebe zum Detail sind Bäume und Sträucher auf verschiedentlich zusammensetzbare Holztafeln gemalt. Als Stabmarionetten führt der Puppenspieler Olaf Bernstengel vom Fundus-Marionettentheater aus Dresden seine Märchenfiguren durch die historisch anmutende Kulisse, die in meisterhafter Weise böhmischen Puppenbühnen nachempfunden ist (Ausstattung Jana Pogorielová und Anton Dusa).
Rasend vor Wut springt die böse Königin vor ihrem Zauberspiegel auf und ab. Schneewittchen sei tausendmal schöner, antwortet dieser, mit nachhallendem Echo, auf ihre eitle Frage. Durch das Fenster der königlichen Gemächer schaut man auf ein Wolkenmeer. Der Jäger hat den Befehl Schneewittchen in den Wald zu bringen und dort zu töten. Tatsächlich löst sich aus der winzigen Armbrust ein Pfeil und schießt über den Bühnenrand hinaus. Getroffen wird ein grunzendes Wildschein, und zweifelsohne muss man Herrn Bernstengel ein Talent in der Nachahmung von Tierlauten zuerkennen.
Mit Hilfe der Eule findet Schneewittchen das Häuschen der sieben Zwerge. Hier erstaunt die raffinierte Mechanik, die bei dem kleinen Flaschenzug zum tragen kommt. Schnapsflaschen bilden die Gewichte, um das gedeckte Tischlein von der Zimmerdecke schweben zu lassen.
Der lustige, jüngste und der erfahrene, älteste Zwerg sind die Wortführer und agieren als eigenständige Persönlichkeiten, im Gegensatz zu den anderen, die stets in der Gruppe auftreten. Ein Steg verbindet die einzelnen Figuren miteinander, so dass sie als Einheit geführt werden können.
Jeden Tag marschieren die sieben Zwerge aufs Neue durch den Wald zum Bergbau und singen auf Sächsisch ihr Lied von der Arbeit. Die kleinen Zuschauer lachen und ahmen den Dialekt nach, was die Gradwanderung zwischen Komik und der wenig bühnentauglichen Privatsprache deutlich macht. Doch wird der Bogen niemals überspannt. Nach jedem Klamauk gelingt es sofort wieder die aufgebaute Spannung aufrecht zu halten und die Aufmerksamkeit durch bühnentechnische Tricks zu fesseln.
Die Inszenierung bleibt nah an der Grimmschen Märchenvorlage. Nur gelegentlich werden Handlungen verdichtet. Die Versuche Schneewittchen mit dem Gürtel und dem Kamm zu töten, werden gleich von der Königin als aussichtslos verworfen.
Wenn dann schließlich der Prinz auftritt, sieht man dem sympathischen Spieler die Anstrengung schon ein wenig ins Gesicht geschrieben. Es erfordert Koordinationsgeschick, das Bühnenwerk mitsamt der Vielzahl der Figuren zu bedienen. Gelegentliche Umbaupausen, hinter geschlossenem Vorhang, werden durch Musik gefüllt, wodurch der Aufführungsfluss nie unterbrochen wird.
Den Rahmen des Stücks bildet der Auftritt des Puppenspielers, der als Märchenerzähler, mit Hut und ganz in schwarz, den Kindern den Anfang und das Ende der Geschichte vorträgt. Schließlich kommt so sein überdimensional großes Märchenbuch voller aufklappbarer Bilder zum Einsatz, wenn er von dem rauschenden Hochzeitsfest Schneewittchens erzählt. Es bleibt damit der Fantasie überlassen, wie die böse Königin vor Neid in tausend Teile zerspringt.

Sarah Trilsch, 21.10.2006



Abbildung:
"Schneewittchen" /
Ausstattung Jana Pogorielová und Anton Dusa
(Fundus-Marionetten-Dresden)

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