leipzigart  KUNSTJOURNAL



globus '06 - 15. Festival für Figuren-, Objekt- und Anderes Theater
Das Jubiläum vom 1. bis zum 27. Oktober 2006

Der Wettlauf zwischen dem Hasen und dem Igel
Theater im Globus beim Festival globus '06 in der Connewitzer "Halle 5"

Der Igel reicht mit seinen kleinen Beinchen dem Hasen gerade einmal bis zum Knie und doch will er mit ihm einen Wettlauf aufnehmen. Wenn er gewinnt, so fordert er einen goldenen Luidor, eine Flasche Branntwein und vor allem eine Fahrt mit dem Hasenroller. Hase Hasenohr ist gar nicht begeistert von der Idee, seinen allerliebsten Roller mit jemandem teilen zu müssen. Siegessicher stimmt er schließlich zu und rennt bis zur vollkommenen Erschöpfung in den Furchen des Feldes, denn wie jeder weiß, wird der hochmütige Hase vom Igel und seiner Frau überlistet. Die beiden Kleinen gewinnen den Wettlauf.
In der Fassung des 'Theaters im Globus' fällt der Hase am Ende aber nicht tot um, wie im Märchen der Gebrüder Grimm - nein - er wird vom Igel wieder zu Leben erweckt und die zwei Rivalen werden sogar zu Freunden, die ab jetzt jeden Sonntag gemeinsam Roller fahren wollen. Schließlich haben sie gelernt, dass sie sich in ihrer Unterschiedlichkeit prima ergänzen. So gibt es nicht nur Gut und Böse - Hase und Igel lassen ihre Vorurteile fallen und vertrauen auf die Hilfe des anderen. Damit wird dem Märchen, durch die überraschende und liebenswerte Wendung, eine noch tiefsinnigere Ebene verliehen.
Tatsächlich kommt der Hase lauthals singend auf dem Roller in den Saal gefahren. Selber im Trainingsanzug, führt ihn die Puppenspielerin Hanne Braun charmant ein und verleiht dem Stück gleich zu Anfang eine Dynamik, die bis zum Schluss aufrecht gehalten werden kann. Jede Figur bekommt eine ganz eigene sympathische Note, sei es durch verschiedene Stimmlagen oder besonders typische Gangarten.
Der Fuchs Rotschwanz mischt sich gern immer wieder kommentierend in das Rennen unserer beiden Helden ein: "Huiiih, man müsste ein Fernglas haben, aber wer soll das tragen?" "Du, kleiner Wackelschwanz", rufen die Zuschauer. Aber bald lachen die Kinder im Saal und wollen selber das Fernglas tragen. Gespannt verfolgen Groß und Klein das Märchen und man glaubt kaum, was für eine Begeisterung die Figuren von Marita Bachmeier bei ihnen wecken, wobei der Hase durch seine Beweglichkeit und die damit verbundenen Spielmöglichkeiten, wie das qualvolle Laufen, besonders heraus sticht. Da sieht man einmal - es geht auch ohne Fernseher.
Dabei ist die Bühne sehr schlicht gehalten, nur das Nötigste wird dargestellt und alles andere entsteht in der Fantasie. So reichen ein grünes Tuch über einem Tisch und ein bemalter Holzbusch vollkommen aus, um das Feld anzudeuten. Wunderbar auserlesen sind auch die kleinen Requisiten. In einem winzigen Stoffbeutel trägt der Hase eine Zeitung und seine Möhre bei sich, während der Igel im Puppen-Kindersitz, am Lenker des Rollers, an der lustigen Fahrt teilnimmt.
Eine ganz eigene, poetische Sprache findet man in den Texten von Jost Braun. Wie selbstverständlich schleichen sich hin und wieder Begriffe ein, die den Kindern fremd sein müssen, ihnen gleichzeitig aber auch Anregungen zum Weiterdenken geben. Fast nebenbei wird ihnen die Schönheit ihrer eigenen Sprache vermittelt.
Ganz von allein beginnen die Kinder mit dem Hasen mitzusingen und bewundern die Kunststücke, die er auf dem Roller vollführt. Summend verlassen die kleinen Zuschauer das Theater, in Gedanken bei dem glücklichen Ausgang des Wettlaufs zwischen dem Hasen und dem Igel. Ein Figurentheaterstück für die ganze Familie, das wirklich lohnt gesehen zu werden.

Sarah Trilsch, 23.10.2006



Abbildung:
"Der Wettlauf zwischen dem Hasen und dem Igel" /
Hase Hasenohr und sein Publikum
(Theater im Globus)

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