leipzigart  KUNSTJOURNAL



globus '06 - 15. Festival für Figuren-, Objekt- und Anderes Theater
Das Jubiläum vom 1. bis zum 27. Oktober 2006

Rapunzel.
Das
Theater im Globus gastierte zum Festival globus '06 am 18. Oktober im Stadtkulturhaus Borna

Wie oft vergisst man, dass die Hausmärchen der Gebrüder Grimm eigentlich für Erwachsene zusammengetragen worden sind. Bei "Rapunzel“ wird man jedoch in augenfälliger Weise daran erinnert, denn die erzählte Geschichte gestaltet sich komplexer und vielschichtiger, als die vieler anderer Märchen. So sind einige Szenen von geradezu erschreckender Brutalität, etwa, wenn sich der Prinz aus Kummer vom hohen Turm in die Dornen stürzt und jämmerlich erblindet. Wer will sich das schon bis ins Detail ausmalen, von den Allerkleinsten einmal ganz zu schweigen?
Dem ‘Theater im Globus‘ gelingt mit der Kombination von Figurenspiel und Musik, in wunderbar charmanter Weise, die Poesie und Dramatik des Märchens herauszustellen. Tragische Momente werden gemildert, dank zahlreicher lustiger Szenen und intelligenter Regieeinfälle.
Das Akkordeon noch unter den Arm geklemmt, setzt sich der Musiker Albrecht Wiegner an die Tasten und begrüßt die Puppenspielerin Hanne Braun. Durch Märchenlieder bereichern die beiden als Zwischenspiele das Bühnengeschehen.
Vor der reduzierten Kulisse, aus kleinem Häuschen, Zaubergarten und riesigem Turm, wird
von den Gelüsten einer schwangeren Frau erzählt, die unbedingt die Rapunzeln aus dem Garten der Zauberin Frau Gotel essen möchte. Ihr Mann wird, bei dem Versuch ein paar der Pflänzchen zu stehlen, von der zornigen Zauberin überrascht und muss versprechen, ihr das Kind zu geben, das seine Frau zur Welt bringen wird. In einem Turm, ohne Treppe und Tür, wird später das Kind Rapunzel, nun schon junge Mädchen, eingeschlossen. Jedes Mal muss es seinen langen geflochtenen Zopf hinunter lassen, damit die Zauberin heraufklettern kann. Ebenso findet der Prinz, der Rapunzel so liebt, zu ihr in den Turm. Nachdem die königlichen Besuche entdeckt werden, wir Rapunzel in die Wüstenei verbannt und kann erst nach langer Zeit voller Qualen von dem Prinz gefunden werden.
Die Bühnenfassung von Jost Braun bleibt einerseits nah an der Märchenvorlage der Gebrüder Grimm, so dass das geradlinig Erzählte für Kinder gut nachvollziehbar ist. Andererseits wird insbesondere durch die Einführung des sprechenden Pferdes Weißmähne, dem treuen Gefährten des Prinzen, das Geschehen durch witzige Lebensweisheiten aufgelockert.
Selbst wenn das Pferdchen nur ein Steckenpferd ist, entfaltet es durch die souveräne Puppenführung von Hanne Braun eine lebendige Persönlichkeit. Die Figuren sind wunderschön ausgearbeitet von der Theaterausstatterin Cornelia Uhlemann und wirken durch ihre strahlenden Augen fast magisch. So scheint Frau Gotel als majestätische Zauberin mit stark betonten Konturen viel besser wiedergegeben als mit Hexenbuckel.
Die Problematik der grausamen Erblindung des Prinzen, wenn er sich in die Dornen stürzt, wird von der Regie mittels einer Blindenbrille gelöst. Mit einem Augenzwinkern wird somit dennoch an der Wahrheit festgehalten.
Ähnlich sind die einzelnen Märchenlieder konzipiert. Einige greifen in kommentierender Weise Vorangegangenes aus dem Spiel auf. In einem Blues wird von dem Elend Rapunzels gesungen, wie sie sich in der Verbannung nach ihrem Prinzen sehnt. Andere Lieder nehmen Themen auf, die im eigentlichen Märchen keine Erwähnung finden. Eines widmet sich in lustiger Weise der Plage, die man mit einem zwölf Meter langen Zopfes ausstehen muss: „Ja da hat noch niemand dran gedacht/ Stellst man sich zum Bespiel mal die Frage/ Wie man das mit Haarewaschen macht.“
Die Inszenierung überzeugt durch den Wechsel von Puppenspiel, kommentierenden Einwürfen der Spielerin und dem Gesang, wodurch drei Spielebenen geschaffen werden, die niemals Langeweile aufkommen lassen. Einfach ein wunderbares Märchenstück.

Sarah Trilsch, 21.10.2006



Abbildung:
"Rapunzel" / Figuren Cornelia Uhlemann
(Theater im Globus)

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