leipzigart  KUNSTJOURNAL



globus ‘08 - 17. Festival für Figuren-, Objekt- und Anderes Theater
5. Oktober bis 2. November

Rezension zur Doppelvorstellung "Romeo und Julia in Lorenzos Nightmare V" und "Rasant" am 21.10.2008
Zitat aus der Leipziger Volkszeitung vom 23.10.2008

Julia wohnt im Parterre
Gewitztes Figurentheater in der Nato entzaubert Shakespeare

Puppenfragmente hängen an der Hinterwand der Nato-Bühne. Dazwischen ein ziemlich fertiger Typ: Lorenzo, Pater aus "Romeo und Julia" wegen Mordes in der Todeszelle eingesperrt. Überwachungskameras vermutend, versucht er die Außenwelt davon zu überzeugen, dass er unschuldig ist. Die Puppen, die er als Beschäftigungstherapie gebaut hat, werden zu den Protagonisten des Montague-Capulet-Zwistes. Sebastian Fortak als Lorenzo rollt Episoden der bekannten Geschichte auf und verrät Details, die Shakespeare nicht erwähnt. Am Ende eskaliert das Spiel des Häftlings. Er outet sich als der wirkliche Mörder und hängt sich wieder auf.
Mit dieser originellen Herangehensweise entzaubert der Ernst-Busch-Schüler Stoff, legt die Abgründe frei, die in den romantischen Lesarten meist untergehen. Das Verschachern der minderjährigen Julia an den alten Paris wird hervorgehoben, die negativen Eigenschaften der Figuren entblößt. Julia ist schwanger, was auch im Original denkbar wàre. Hier wird es ausgesprochen. Doch die feinsinnig-böse Lesart unterwandert Fortak leider durch oberflächliche Typisierungen, die zwar komisch wirken, aber nicht so richtig hineinpassen wollen: Tybalt ist ein Türkenproll, Mercutio ein Klischeeschwuler mit französischem Akzent. Wenn die zwei nur aus Kopf bestehenden Figuren sich aus diesem Mangel heraus ein Spuckduell liefern oder die Romeopuppe sich der Balkonszene verweigert, weil Julia "parterre" wohnt, funktioniert die ironische Seite der lnszenierung wieder. Darüber hinaus zeichnet sich "Lorenzos Nightmare V" durch hervorragende Schauspielkunst, differenzierten Stimmenwechsel und abwechslungsreiche Figurenführung zwischen sanft und brutal aus. Fortak spielt nicht, er kämpft mit seinen Objekten.


@ Foto Jost Braun

Anna Menzel und Lena Schlott, auch von der Ernst Busch, liefern ebenfalls eine wundervolle und zudem gnadenlos komische Darbietung. Zwei Bewohnerinnen eines Altersheimes spielen den Actionfilm "Speed" nach. Kasper, Pinocchio und Schnatterinchen mutieren zu Hollywoodstars. Wenn die im Bomben-Bus sitzenden Puppen zu den Beach Boys tanzen oder die Omis sich zwischen den Szenen mit Sticheleien duellieren, steigt der Lachpegel im Publikum steil an.
Mit den Berliner Gastspielen hat das Theater im Globus spannende und unterhaltsame Figurenspielkunst nach Leipzig eingeladen. Bravo und Zugabe.

Janna Kagerer


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