globus ‘08 - 17. Festival für Figuren-, Objekt- und Anderes Theater
5. Oktober bis 2. November
Rezension zur Vorstellung "Houdini‘s Suitcase" am 22.10.2008
Zitat aus der Leipziger Volkszeitung vom 24.10.2008
Figurenzauber vom Duo Pickled Image
Die Schlange an der Kasse will nicht kürzer werden. Das Gastspiel "Houdini's Suitcase" der britischen Gruppe Pickled Image hat viele Besucher zum Figurentheaterfestival gelockt. Endlich sind alle Zuschauer im restlos gefüllten Saal der Nato untergebracht. Auf der Bühne stehen eine Unmenge von Koffern unterschiedlicher Größe und Form. Das verspricht Überraschungen.
Gedämpftes Licht. Das Geräusch eines einfahrenden Zuges. Die Koffer werden mit Nebel umhüllt. In diese gespenstische Atmosphäre hinein tritt ein alter Mann, einen weiteren schweren Koffer vor sich herschiebend. Er setzt sich, holt Fotografien hervor und betrachtet sie. Audio-Einspielungen verraten, was auf den Bildern, zu sehen ist. Das letzte, zu dem ein Frauenlachen erklingt, steckt er in die Brusttasche seines karierten Anzugs und drückt es ans Herz.
Der alte Mann, einst Schüler des großen Entfesslungskünstlers und Illusionisten Harry Houdini, erinnert sich. Noch einmal probiert er seine Zaubertricks. Nicht alles klappt, die Karten fallen ihm herunter und das aus dem Zylinder gezogene Kaninchen ist nur noch ein Skelett. Gelächter aus dem Zuschauerraum. Vor allem die schwarzhumorig-makabren Momente reizen zum Lachen. Wenn der Meister kurz die Bühne verläßt, entwickeln die Koffer ein Eigenleben und spucken groteske Puppen aus: Einen peitschenknallenden Dompteur und Conferencier, den King Of Pain, der sich unter großem Gejammer und Schluckbeschwerden Schwerter in den Rachen und Nadeln in den Körper steckt, eine fette Akrobatin, die sich nur mit Mühe auf die Trapezschaukel hievt. Als Running Gag versucht ein Entfesslungskünstler immer wieder vergeblich, sich aus einem zugeketteten Koffer zu befreien. Es klopft hilflos aus dem Innern. Erst als der Alte die Schlüssel findet, gelingt der Trick. Er selbst ist es, der schließlich aus dem Koffer steigt.
Bei den traurig-melancholischen Stellen werden die Zuschauer still. Besonders berührend ist die Szene, als der Greis ein Damenkleid findet und mit ihm tanzt. Der Tango wird von fiesem Husten unterbrochen, das Kleid fällt zusammen und gleitet zu Boden. Tod und Verlust einer großen Liebe. Vielsagende und unaufdringliche Symbolik, die ohne Worte auskommt.
Mit wundervollen Bildern und faszinierenden Figuren vom riesigen Tanzbären bis zur winzigen Jungenpuppe verzaubert Pickled lmage das Publikum. Jedes Detail, jede Geste und Bewegung ist liebevoll und exakt ausgeführt, sowohl bei der Figurenführung als auch beim Schauspiel.
Ja, ein Reigen der Überraschungen. Und die größte: Am Ende verbeugen sich nur zwei Menschen, Vicky Andrews und Dik Downey nehmen den minutenlangen verdienten Beifall entgegen. Dabei hatte man den Eindruck, es seien unzählige Hände im Spiel.
Janna Kagerer
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