leipzigart  KUNSTJOURNAL



HOW TO BECOME GOD IN ONE HOUR AND TWELVE MINUTES
Uraufführung am Theater der jungen Welt, Leipzig

Während die Reibe aus dem Küchenschrank der sexuell erregten Buttermilch vom schönen Afrika vorschwärmt, träumt der Kleiderbügel davon, als letzter Bügel auf der Titanic zu historischer Bedeutung zu gelangen. Die Pralinenverpackung ist einfach nur glücklich und auf die Kontaktanzeige der Reibe haben sich erotische Früchte aus ganz Deutschland gemeldet.
Nein hier waren keine bewusstseinserweiternden Drogen mit im Spiel! Vielmehr stand bei der Uraufführung von Robert Steijns ‘How to become god in one hour and twelve minutes’ am 30. September im Theater der jungen Welten das Innenleben von Alltagsgegenständen im Vordergrund.
"Am Anfang ist es dunkel. Es gibt noch kein Licht. Es ist dunkel, sehr dunkel, wie in einem Arsch", beschreibt eine Stimme vom Tonband die Situation. Mit niederländischem Akzent formt so der Regisseur langsam Satz für Satz. Die beiden Spieler sollen später auf der Bühne keine Anweisungen von ihm bekommen werden. Alles muss aus dem Nichts entstehen, wie bei einer Schöpfungsgeschichte. Da das aber allein den Göttern vorbehalten ist, sollen auch sie zu Göttern werden.
Im Spiel mit zwei Taschenlampen entdecken Lopatta und Violetta einander als Mann und Frau. Beide liegen auf einem großen goldenen Diwan, an den Enden riesige Nackenrollen. Erst, als die Bühne vollständig beleuchtet wird, sieht man Violetta im rot-samtenen Ganzkörperanzug mit kleinen abstehenden Micky Mouse-Ohren am Kopfteil. ‘Cat-Woman’, wird trocken erläutert. Lopatta dagegen lümmelt in Schottenrock und Springerstiefeln neben ihr und kramt Reibe und Buttermilch aus einem Beutel.
Ähnlich wie Gott die Menschen aus Lehm gemacht hat, müssen sie jetzt den Objekten Leben einhauchen. Doch irgendwann beginnen sich Lopatta und Violetta zu langweilen, so ganz ohne Spielanleitung. "Wie lange noch?", fragen sie den Beleuchter.
Wenig später lassen die eindeutigen Avancen eines Bügels bei Lopatta eine Bügelphobie ausbrechen. Schnell ist Bettina, die Theaterpädagogin, zur Stelle und hält, im Aufzug der Kanzlerin, eine enthusiastische Rede über die Pflicht auch Objekten Liebe entgegen zu bringen.
Eine Pralinenverpackung und zwei Bügel melden sich schließlich in äußerst lebhaften Monologen selbstständig zu Wort und das Spiel endet mit der Auflösung des Regisseurs, der erklärt, dass Lopatta und Violetta eigentlich schon immer Götter gewesen sind. Alles Bemühen umsonst? - Nein! Wer Geschichten erzählen kann, ist auch in der Lage sein Leben zu ändern. Genau das macht unser menschliches Bewusstsein aus.
Zu schriller, indischer Musik von Boy George erhalten die Spieler am Ende buddhistische Kronen und tanzen mit dem Publikum auf der Götter-Diplomparty.
Beim Gehen bleibt der Verdacht, der eigenen Rolle im Leben nicht zuviel Bedeutung beizumessen und alles spielerischer anzugehen. Das unterhaltsame Objekttheater wurde auf Proben durch Improvisationen erarbeitet, was einen typischen Theaterhumor mit sich bringt, den man als regelmäßiger Theatergänger schon zu oft erlebt hat. Es scheint ohnehin momentan ein Trend zu sein, Textgrundlagen von Schauspielern entwickeln zu lassen, anstatt mit ausgefeilten Dramaturgien zu arbeiten - hin und wieder sehnt man sich dann doch wieder nach ausgefeilten Handlungsbögen.
Noch ist die Alterbeschränkung offen, wobei eher junge Erwachsene angesprochen werden, denn Ironie muss man verstehen können.
Man kann alles denken, wenn man frei im Kopf ist. Warum sind wir eigentlich sicher, dass die Brille auf unserer Nase nicht doch mehr ist, als sie zu sein scheint?

Es spielen Violetta Czok, Chris Lopatta und Bettina Frank

Sarah Trilsch, 02.10.2006

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