leipzigart  KUNSTJOURNAL



Berufsverbot für Figurentheater - Leipzig verbietet Theateraufführungen für Kínder

Offener Brief des Hasen Hasenohr an das Bauordnungsamt zum Verbot von Kindertheatervorstellungen im Sommerkino Leipzig sowie im Freibad Kleinzschocher durch das Leipziger Bauordnungsamt wegen "Fremdnutzung" mit Androhung von 3.000 Euro Strafe gegen die Betreiber des Sommerkinos und die Sportbäder GmbH



Sehr geehrter Herr Hans-Gerd Schirmer,

leider bin ich zwischen die Mühlen Ihrer Querelen mit dem Sommerkino und mit der Sportbäder GmbH in Kleinzschocher geraten, ohne etwas dafür zu können.
Den verabredeten Wettlauf mit dem Igel konnte ich nun nicht am Nachmittag des 13.7.06 und auch nicht am Nachmittag des 15.7.06 absolvieren und die Kinder und Eltern, welche der schönen Figurentheaterinszenierung zuschauen wollten, mußte ich nachhause schicken. So konnte ich mir - völlig unverschuldet - nicht das Geld für einige Möhren verdienen und versuchte daraufhin am heutigen Sonntag, dem 16.7.06, beim (plötzlich genehmigten?) Stadtteil-, Freibad-, und Sommerkinofest zwischen all den vielen dampfenden Freßbuden, den Infoständen von Parteien und rund um die recht laute Konzertbühne und die riesige behüpfte Hüpfburg auf dem Sommerkinogelände etwas Eßbares zu ergattern.
Alle waren sehr freundlich, aber leider hatte mir niemand etwas zu essen gegeben, nicht mal ein Stückchen von der vegetarischen Pizza, und ich mußte hungrig von dannen ziehen.

Die Jahresreihe Figurentheater in Leipzig - F.i.L.2006, zu der auch ich eingeladen war, meinen Wettlauf zu absolvieren, zählt übrigens zu den wenigen bedeutsamen Projekten im Freistaat Sachsen, denen durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen eine besondere Förderwürdigkeit bescheinigt wurde. Auch das Jugendamt der Stadt Leipzig findet unsere Theaterangebote toll und natürlich sind die vielen kleinen und großen Theaterbesucher und die Erzieher und Betreuer der Kindereinrichtungen sehr dankbar und glücklich, wenn sie einen Platz in der einen oder anderen Vorstellung bekommen.

Sehr würde ich mich freuen, wenn wenigstens Ihr Amt, welches ja die Kindervorstellungen am 13. und 15.7.06 und alle weiteren in der Nähe des Sommerkinos verboten hatte, für mich einen Sack voller Möhren sowie konstruktiver Angebote spendieren könnte, und mich damit vor dem Verhungern bewahren und ein wenig über die traurige Situation hinwegtrösten könnte, daß ich nicht mit dem Stacheligel um die Wette laufen konnte und wegen der traurigen Kinderaugen bis heute keinen Schlaf finden konnte. Auch mein Direktor muß nun leider arge Verluste einfahren und findet keine Ruhe.
Schön wäre, wenn Sie die Sache nicht nur bedauern würden - das machen schon sehr viele aufmerksame Bürger der Stadt, die zahlreich bei den Medien und auch direkt bei uns Ihr Bedauern bekundet und Ihrer Empörung Luft gemacht haben.

Für eine schnelle und freundliche Antwort danke ich Ihnen bereits im Voraus
und verbleibe mit den freundlichsten Grüßen
als Ihr sportlicher Hase Hasenohr ohne Möhren
von Theater im Globus

THEATER IM GLOBUS
Freies Theater und Initiative zur Förderung des Figurentheaters
Intendanz des Festivals für Figuren-, Objekt- und Anderes Theater
Mitglied in der Internationalen Vereinigung des Theaters für Kinder und Jugendliche (ASSITEJ)
und der Union Internationale de la Marionnette (UNIMA)
Mitglied im Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft (BVMW)

Andernorts kein Problem - Theater für Kinder und Familien.
Der Hase spielt an der Ostsee, in Thüringen, in Berlin -
in Theaterhäusern, Bibliotheken, Kindergärten, auf öffentlichen Plätzen ...
Die Stadt Leipzig aber, vertreten durch den Leiter des Bauordnungsamtes,
verbietet Theateraufführungen für Kinder mit dem Kommentar:
"Es tut mir leid, daß Kinder betroffen sind. Doch die Aufführungen sind unzulässig,
daher können wir sie nicht dulden."
Gegen Veranstaltungen, die von den Künstlern selbst subventioniert werden
(sie spielen ohne reguläres Honorar) droht er deshalb eine Strafe in Höhe
von 3.000 Euro an und die vergeblichen Aufwendungen der Künstler interessieren
ihn nicht - das bekämpfte Sommerkino aber bekommt die erwartete öffentliche
Sympathie und Solidarität und veranstaltet einen Tag später ein großes Fest.



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