leipzigart KUNSTJOURNAL
Insomnia - Schlaflosigkeit nach der
Romantik
Martin Honert in der Galerie Gebr. Lehmann
Um die »Blaue Stunde«, wenn andere ihren Feierabend-Drink nehmen, empfehlen wir dringend einen Besuch von Martin Honerts »Laterne«. Die zwielichtige Stimmung zwischen Traum und Realität kann hier ohne Zuhilfenahme geistiger Getränke erreicht werden.
Ein milde leuchtender Kubus taucht den Galerieraum in bläuliches Licht - ein Licht, das schon Novalis seinem »Hans von Ofterdingen« als Garant für eine sowohl schöpferische als auch geheimnisvolle Stimmung verordnete. Zu diesem Schlüsseltext der Romantik gibt es manche Parallele: Hier wie da liegt der kindliche Protagonist in seinem Bettchen und erfährt den blauen Traum der Poesie. Während Hans allerdings noch ein Bub ist, dem sich just die Verheißungen des Schöpfertums öffnen, liegt in der »Laterne« ein ausgewachsener Künstler auf der zu kurzen Liegestatt, in einer Inszenierung kindlicher Einsamkeit. Und auch die Insignien der Poesie haben sich gewandelt: Wo einst eine Grotte und ein phantastisches Gewächs schimmerten, flackert heute das Fernsehen mit dem Satellitenbild des Sendeschlusses. Unverwandt blickt der Schlaflose in vier verschiedenen Perspektiven, die den vier Seiten des Leuchtwürfels entsprechen, auf den Bildschirm. In der Vorderansicht öffnet sich ein Fenster auf eine Großstadt, ein Bild im Bild fast im detailfreudigen Sinne der Renaissance. Der wahrhaftige Sternenhimmel, der auch zum offenen Dach der Kammer hereinblickt, interessiert den Künstler (und es handelt sich hier um ein Selbstporträt) viel weniger als die mediale Vermittlung von kosmischen Größen.
Die Melancholie dieser Arbeit liegt nicht allein in der Färbung des Nachtstückes begründet oder in der Verlorenheit der Figur. Martin Honerts präzise Installation kennen - wie derzeit im Albertinum bei der »Mutprobe« ganz buchstäblich durchgeführt - keine Scheu vor Abgründen des Selbst. Das Fangnetz wird dabei höchst erholsam von Selbstironie gebildet. Dies ist eine Zutat, die Professor Honert, den Rezepten seiner StudentInnen durchaus empfehlen kann!
S.A.
bis 18.11.