leipzigart  KUNSTJOURNAL


Zitat aus der FAZ vom 31.03.2001:

Grafik ist mehr als ein preiswertes Bild auf Papier

Kürzer, größer, doch ohne Profil: Zur zweiten Ausgabe der kunstKöln bleiben viele Fragen offen

Diese "internationale Messe für Editionen, Art Brut, Kunst nach 1960 mit Sektor Fotografie" gibt schon in ihrem buchhalterischen Untertitel preis, was der Rundgang bestätigt: Sie bemüht sich nach Kräften um Profil - und gewinnt trotz der Spartenvielfalt nur wenige trennscharfe Konturen. Als "zweite, eigenständige Kunstmesse neben der Art Cologne" will sich die "kunstKöln" etablieren (dem Namen nach zum Verwechseln ähnlich mit der parallel laufenden "Kunst Messe Köln" für Kunst und Antiquitäten). Ob sie sich wirklich zu einer eigenständigen Gestalt wird aufraffen können, darf man vor allem bei dem Potpourri "nach 1960" bezweifeln. Hier kommen offenbar Galeristen zum Zuge, die sich um die Herbstmesse erst gar nicht bewerben.

Zur zweiten kunstKöln ist die quälend lange Laufzeit von zehn Messetagen auf die Hälfte reduziert worden, was die Händler dankbar annehmen. Ihre Zahl hat sich um rund dreißig Teilnehmer auf 144 erhöht, 37 Galeristen sind diesmal aus dem Ausland angereist. Nur manche beantworten freilich die entscheidende Frage: Wie kann sich das Auflagenwerk auf Papier gegenüber dem Unikat auf Leinwand begründen? Exemplarisch die monographische Schau bei Gabriele Meycr-Ellinger, Frankfurt, die den Amerikaner Brice Marden vorstellt: Seine Lithographien und Radierungen von den frühen Siebzigern bis heute entfalten Geometrie und Gestik in Farbe und in Schwarzweiß (Auflagen 40 und 45, 20000 bis 70000 Mark). Dies gilt auch für die letzte Serie Donald Judds mit zehn farbigen Holzschnitten aus den Jahren 1992 93 (Auflage 30, 60 000 Mark) sowie für die jüngeren Reliefdrucke und Lithographien Sol LeWitts (Auflage 15 und 70, 33 000 und 4400 Mark) bei Fahnemann aus Berlin.

Seine grafische Sprache kann ein Maler wie Max Uhlig wirkungsvoll in Tusche auf Vlies erproben, so in einem großen Kopf (11000 Mark in der Chemnitzer Galerie Oben). Die Aquarelle Joachim Ba aus erzielen ihr schimmerndes Licht nur auf Papier - 2500 bis 19500 Mark bei Renate Schröder, Köln. Und selbst dort, wo die Grafik letztlich als preiswerteres Bild auf Papier erscheint, kann sie durch die Nuancen des Mediums betören wie in Per Kirkebys Holzschnitten bei Sabine Knust aus München (Auflage 10, bis 8500 Mark).

Daß sich die kunst Köln mit einem gesammelten Spektrum an Fotografien profilieren will, kündigte sich bereits in der Wahl der Kölnerin Astrid Klein für den diesjährigen Messepreis an. Die Entscheidung für eine eigene Sparte Fotografie ist auch, aber nicht nur ein Tribut an den Zeitgeist. Sie könnte der Messe sogar noch gut bekommen, denn die Offerten liegen hier sichtbar über dem Niveau dessen, was den Besucher in den schütteren Plantagen "nach 1960" erwartet. Für das neue Kompartiment dürften sich zukünftig noch weitere auf Fotografie spezialisierte Galerien interessieren, zumal wenn ihre Messestände abermals preiswerter sind als die übrigen.

Im Zentrum steht, als Sonderschau, die Stuttgarter Privatsammlung Rolf Mayer mit Lichtbildern des 19. Jahrhunderts. Sie bieten ein historisches Rückgrat, das auch der Auswahl der Galerien gut zu Gesicht stünde. Bemerkbar macht sich ein kölnischer Überhang: Vintage prints aus der Apo-Zeit von Michael Ruetz offeriert Pasquer (je 3000), bei Krips trifft man auf Architekturfotografien des Bildhauers Lutz Fritsch (Auflage 3 bis 6, bis 4000 Mark), Holtmann bietet "Heimspiele" von Jürgen Klauke aus der Serie "Sonntagsneurosen" (Auflage 3, je 40 000 Mark). Adams i, Frehrking und Wiesehöfer warten mit bislang unveröffentlichten Fotos von der ersten Mondlandung auf: Michael Light hat sie in den Archiven der Nasa aufgestöbert digitalisiert und als Bilderzählung präsentiert (Auflage 50, 2700 bis 7800 Mark).

Ihre klarsten Konturen erhält die junge Messe aber auf dem Gebiet der Art brut, das diesmal mit der bislang unbekannten Sammlung Walter Morgenthaler aufwartet. Kaum zu glauben: Dieses Konvolut wurde zuletzt um Haaresbreite vor dem Papierkorb bewahrt. Der Berner Nervenarzt, zu dessen Patienten Adolf Wölfli zählte, hatte in der Kunst der Geisteskranken 1921 Motive ausgemacht, nach denen die damalige Moderne noch suchte. Hier kann das Angebot der Aussteller durchaus mit den Werken der erlesenen Kollektion mithalten. Das Segment beschert ein seltenes Erlebnis: eine dichte Ansammlung von Qualität.

Hochattraktiv sind die bunten, mit farbkräftiger Tinte gemalten Ornamente aus Flora und Fauna des Schotten Scottie Wilson aus den vierziger und fünfziger Jahren für die Fischer aus Berlin Preise von 4500 bis 65 000 Mark nennt, von eindringlicher Präsenz die geknebelten Jutefiguren, die der gelernte Schneider Michel Nedjar in den letzten beiden Jahrzehnten, in Erinnerung an die in deutschen Konzentrationslagern umgekommenen Verwandten, gefertigt hat (10 000 bis 26 000 Mark). Greve aus Köln kombiniert die Mischtechniken der Amerikanerin Laura Cray auf Zeitungspapier (7500) mit Blättern und Bronzen von Leiko Ikemura, die von der Kunst der Außenseiter inspiriert worden sind (3500 bis 42 000 Mark). Die Fabelwesen des Jugoslawen Sava Se ulic auf Papier und auf Pappe bietet die Kölnerin Susanne Zander für 6000 bis 13 000 Mark an. Die höchsten Preise erzielt ein etablierter Outsider, der Österreicher Johann Hauser. Ausgeprägt ist seine Intuition, einfache Motive in der Fläche zu plazieren: Für das "Flugzeug" von 1965 erwartet Altnöder aus Salzburg 77 000 Mark. Insgesamt sind der Outsider-Markt und die Galeristen, die ihn umhegen, allerdings begrenzt.

GEORG IMDAHL

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