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Verwaltung will 2010 bei Freier Kulturszene kürzen
Pressemitteilung der Initiative Leipzig plus Kultur vom 01.02.2010

Nachdem es 2 Jahre lang bergauf ging mit den Fördermitteln für die Freie Kulturszene, weist der aktuelle Verwaltungsvorschlag eine Kürzung der kommunalen Zuschüsse für freie Kulturhäuser, Initiativen und Künstler aus.

Damit legt die Verwaltung zum wiederholten Male einen Fördervorschlag vor, der den Stadtratsbeschluss zur schrittweisen Erhöhung der Fördermittel für die Freie Szene Kultur auf 5% vom Kulturetat nicht umsetzt. Die Frage ist, welche Interessen die Verantwortlichen im Kulturamt eigentlich vertreten, wenn sich jedes Jahr eine Kürzung für die Szene im ersten Verwaltungsvorschlag findet - und diese noch dazu gut versteckt wird.

Eine Besonderheit des Verwaltungsvorschlages ist, dass die reale Kürzung verschleiert und durch Haushaltstricks als Erhöhung dargestellt wird. Was 2008 mit dem Versuch begann, den steigenden Finanzbedarf der stadteigenen DOK-Leipzig GmbH aus dem Topf der Freien Kulturszene zu bedienen (damals ging es um 50.000 €), und sich 2009 fortsetzte mit der Zuordnung des Forum Thomanum zur Freien Szene (60.000 €), findet im Entwurf für 2010 seinen vorläufigen Höhepunkt, indem wiederum das Forum Thomanum der Freien Szene zugeordnet wird und darüber hinaus 6 Einrichtungen mit eigener Haushaltsstelle in die Berechnung einbezogen werden.

Durch diese Haushaltstricks wird die Fördersumme für die Freie Kulturszene um fast 463.000 € hochgeschwindelt. Real ergibt sich jedoch eine Absenkung der Förderung um 1,1% gegenüber dem Vorjahr.
Dies hat eine Stagnation bei der Institutionellen Förderung (+ 2,6%) und einen massiven Abbau der Projektförderung (- 10,5%) zur Folge.

Wie erste Gespräche mit Leipziger Stadträten zeigten, funktioniert diese Taktik – bisher. Alle wähnten sich auf einem guten Kurs bei der Umsetzung ihres Ratsbeschlusses und waren zutiefst erstaunt, als sie die Fakten hinter dem Vorschlag der Kulturverwaltung erkannten.

Um die Transparenz städtischer Förderpolitik zu erhöhen und zukünftig Verschleierungen - z.B. durch Falschwidmungen wie im aktuellen Verwaltungsvorschlag - auszuschließen, hat die Initiative Leipzig + Kultur ein Positionspapier erarbeitet, das die Grundlagen und Konsequenzen des Ratsbeschlusses IV/A HP 38.02/08 vom 17.09.2008 zusammenfasst (siehe Anhang).

Wir fordern das Kulturdezernat auf, seinen Verwaltungsvorschlag zur Förderung der Freien Szene Kultur vom 15.01.2010 zurückzuziehen und umgehend im Sinne des Ratsbeschlusses IV/A HP 38.02/08 zu überarbeiten.

Falk Elstermann
i.A. der Initiative Leipzig + Kultur


FÜNF FÜR LEIPZIG – POSITION DER INITIATIVE

Worauf bezieht sich unsere Forderung '5% des Kulturetats für die Freie Kultur'? Während jeder kommunalen Haushaltsdebatte kursieren - innerhalb der Verwaltung, in der Politik und in der Öffentlichkeit - sehr unterschiedliche Angaben über die Höhe des Leipziger Kulturetats. Dies führte wiederholt zu Irritationen bei der Festlegung der Bezugsgröße für die Berechnung der Fördermittel für die Freie Kulturszene.

Um dies zukünftig zu vermeiden, stellen wir unsere Position nochmals klar:

1. Als kommunaler Kulturetat werden die Gesamtausgaben für den Kulturbereich innerhalb des Verwaltungshaushaltes der Stadt Leipzig bezeichnet.
2. Der Begriff „Fördermittel für die Freie Szene Kultur“ bezeichnet im Sinne des Ratsbeschlusses IV/A HP 38.02/08 vom 17.09.2008 die Haushaltsstelle „1.300.700.000/0 - Zuschüsse an Vereine und Verbände“
... die im Jahr 2007 mit ca. 1,9 Mio (rund 1,9% vom Kulturetat) und 2008 mit ca. 2,4 Mio (rund 2,3 % vom Kulturetat) ausgestattet war. Dies war der Ausgangspunkt für den Beschluss der Ratsversammlung, die Fördermttel schrittweise (um jährlich 0,5%) anzuheben um im Jahr 2013 die angestrebten 5% zu erreichen.
3. Kultureinrichtungen mit eigener Haushaltsstelle im Verwaltungshaushalt der Stadt Leipzig werden im Sinne des Ratsbeschlusses IV/A HP 38.02/08 in die Berechnung der „Fördermittel für die Freie Szene Kultur“ nicht einbezogen.

Welche Projekte sollen aus der Haushaltsstelle „1.300.700.000/0 - Zuschüsse für Vereine und Verbände“ bezuschußt werden - und welche nicht?

Nach dem Stadtratsbeschluss IV/A 38.02/08, der die schrittweise Erhöhung der Fördermittel für die Freie Kulturszene bis 2013 auf 5% vom Kulturetat festschreibt, sind seitens der Verwaltung mehrfach Kulturträger der Freien Kulturszene zugeordnet worden, die von dem genannten Beschluss nicht betroffen sein sollen. Dadurch wird dem Stadrat und der Öffentlichkeit ein falscher (zu hoher) Anteil der Fördermittel für die Freie Kulturszene am Leipziger Kulturetat vorgetäuscht. (*1)
Um dies zukünftig auszuschließen, stellen wir unsere Position nochmals klar:

1. Aus der Haushaltsstelle 1.300.700.000/0 sollen nur Einrichtungen/Projektträger bezuschusst werden, die:
- auf der Grundlage einer Konzeption schwerpunktmäßig zur Erreichung kultureller Zielstellungen arbeiten, welche ohne eine Querfinanzierung durch die Stadt Leipzig nicht erreichbar wären.
- Es handelt sich in der Regel um gemeinnützige Körperschaften in freier Trägerschaft sowie freiberufliche KünstlerInnen.

2. Aus der Haushaltsstelle 1.300.700.000/0 sollen keine Einrichtungen/Projektträger bezuschusst werden, die:
- sich in öffentlicher Trägerschaft (Kommune, Freistaat) befinden oder die nach ihrer Satzung überwiegend dem Zweck dienen, Einrichtungen in öffentlicher Trägerschaft zu fördern bzw. deren Rahmenbedingungen sicher zu stellen (Fördergesellschaften bzw. - vereine, Betreibergesellschaften o.ä.).
- im Verwaltungshaushalt der Stadt Leipzig über eine eigene Haushaltsstelle verfügen.

Warum 5% und wie sollen diese erreicht werden?

Wir haben schon 2007 - zu Beginn der Kampagne „Fünf für Leipzig“ - erklärt und bekräftigen nochmals unseren Ansatz der dynamischen Bindung der Fördermittel für die Freie Kulturszene an die wirtschaftliche Situation unserer Stadt. Durch die Prozentregelung wollen wir das Solidarprinzip verankern: Geht es der Stadt wirtschaftlich gut, so fallen die Zuschüsse für unsere Arbeit höher aus. In schwierigen Zeiten können die Fördermittel sinken. Daran halten wir nach wie vor fest.

Wir haben schon 2007 - als die Mittel der Haushaltsstelle 1.300.700.000/0 noch bei ca. 1,9% des Kulturetats lagen - argumentiert und bekräftigen nochmals, dass eine Anhebung der Fördermittel für die Freie Kulturszene auf 5% des Kulturetats nur erreicht werden kann, wenn eine kontinuierliche jährliche Steigerung um 0,5 % über einen Zeitraum von 6 Jahren umgesetzt wird. Die Aufhebung der Kontinuität dieses Prozesses durch die Aussetzung von Zwischenschritten für ein oder mehrere Jahre ist kontraproduktiv, da die Kommune in der Folge durch die extreme Erhöhung des nächsten Schrittes vor eine unlösbare Haushaltssituation gestellt wird.

Leipzig am 01.02.2010

Falk Elstermann, Martin Heering
i.A. der Initiative Leipzig + Kultur

(*1) Im Rahmen der Haushaltsberatung 2010 hat das Kulturdezernat bereits die Titel 1.300.700.300.8, 1.300.716.300.5, 1.300.716.100.2, 1.300.716.200.9, und 1.300.700.400.6 zur Ermittlung des Anteils der 'Freien Szene' am Kulturetat der Stadt Leipzig herangezogen und am 15.01.2010 erstmals (ohne Erwähnung, dass es sich um Einrichtungen mit eigener HH-Stelle handelt) die aus diesen Titeln bezuschussten Einrichtungen in der Fördermittelliste, welche sich seit Jahren allein auf den Titel 1.300.700.000.0 bezieht, publiziert. Hier wird bewusst die Umsetzung des Stadtratsbeschlusses vom 17.09.2008 unterlaufen.


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