leipzigart  KUNSTJOURNAL



Skandal:
Kulturamt streicht Fördermittel für das erfolgreiche Festival für Figuren-, Objekt- und Anderes Theater

Die in den letzten Jahren ohnehin schon spärlich fließenden Fördergelder der Stadt Leipzig für das renommierte Internationale Festival für Figuren-, Objekt- und Anderes Theater (leipzigart berichtete aktuell über das Festival) sollen für 2005 gänzlich gestrichen werden. Ein Skandal, wenn man bedenkt, daß die Festivalmacher seit 1992 alljährlich mit enormem eigenen finanziellen Engagement und zusätzlichen unbezahlten Arbeitsstunden für Vorbereitung und Organisation eine Veranstaltungsreihe auf die Beine gestellt haben, welche ihresgleichen sucht: begeisterte Theaterbesucher aller Altersgruppen in mehreren Häusern in und um Leipzig in ausverkauften Vorstellungen, Theatergruppen und Künstler aus aller Welt, denen es eine Ehre ist, am Festival beteiligt zu sein und die angesichts dessen hervorragenden Stellenwertes auch mal für halbe Gagen spielen.
Die Liste der Festivalteilnehmer liest sich wie ein Who Is Who der internationalen Szene und man staunt immer wieder über das Gespür der Festivalmacher für hoffnungsvolle Newcomer, die nach einem Gastspiel in Leipzig schnell auch auf anderen Festivals für Interesse sorgen.
So spielten in Leipzig bekannte Größen wie Neville Tranter mit seinem Stuffed Pupped Theatre aus Amsterdam, das Objekttheater Phénomène Tsé Tsé aus Frankreich, Green Ginger aus Wales, das Gertruden Theater aus Israel, die Punch-&-Judy-Legende Percy Press, das aus der Compagnie Marcel Marceau hervorgegangene Theatre Mimo Magique und viele weitere Künstler. Entdeckungen wie die Theatergruppen Kasoka und Handgemenge aus Berlin oder das Credo Theater aus Bulgarien hinterließen Spuren auf der ganzen Welt.



Ein Skandal ist die Verweigerung des städtischen Mini-Zuschusses nicht zuletzt im Hinblick auf die in das Festival integrierte, gefragte und erfolgreiche Veranstaltungsschiene für Vor- und Grundschüler, welche neben den Highlights im Abendprogramm qualitativ herausragende Inszenierungen für das ansonsten in Leipzig kulturell und bildungsseitig vernachlässigte Zielpublikum der Kinder bietet. Pisa läßt grüßen.

Unbegreiflich ist die Arroganz oder Hilflosigkeit derjenigen, welche solche Entscheidungen vorbereiten und treffen: die empfehlenden Mitarbeiter des Kulturamtes (die vielen Verwalter des immer weniger zu verteilenden Geldes) gleichermaßen wie die Mitglieder des Kulturausschusses der Stadt. Keiner dieser Leute wurde bei den Veranstaltungen des Festivals gesehen. Niemand von diesen Leuten wollte sich von der anerkannten Qualität der Veranstaltungen und der Begeisterung der Zuschauer überzeugen. Eine Anhörung im Kulturausschuß, bei der ein Versuch unternommen wurde, die Entscheidungsträger näher über die Chronik und die Ziele des Festivals zu informieren, brachte offenkundige Ahnungslosigkeiten und Wissensdefizite zum Vorschein, und der Kulturbeigeordnete selbst erschien sogar "leicht" verspätet erst nach dem Ende dieser Präsentation.

Unfaßbar scheint die Tatsache, daß das Kulturamt noch konsequenter nach dem Gießkannenprinzip "Prioritäten" setzt und beispielsweise dem Puppentheater Sterntaler, welches bereits anderweitig über den Verein Sächsischer Puppenspieler öffentliche Förderungen erhält, Gelder zukommen läßt - direkt aus dem Stadtsäckel und indirekt über Sponsoren wie die Stadtwerke Leipzig, während es sich plötzlich ausdenkt, nun nach langjähriger Partnerschaft das Internationale Festival für Figuren- Objekt- und Anderes Theater eben mal nicht zu unterstützen.

Die Einsparung nur eines Mitarbeiters für die Dauer eines Jahres im Kulturamt, welches ja im Bereich der Freien Szene offensichtlich nichts mehr zu verwalten hat, könnte Zuschüsse für das Festival und viele weitere kulturelle Projekte der Freien Träger über Jahre sicherstellen. Mit den so beförderten kulturellen Aktivitäten würden wiederum dutzende Auftragnehmer aus dem Mittelstand Arbeit und Einnahmen erhalten und mit ihre Steuern das Stadtsäckel wieder füllen - und die zahlreichen Besucher der Veranstaltungen, die ja auch irgendwo essen und schlafen müssen, sorgen für weiteren Umsatz.

Und noch etwas:
Dem aufmerksamen Spaziergänger oder Autofahrer werden die inzwischen peinlichen Werbeposter und Aufkleber in Leipzig auffallen, welche von Größenwahn und der gleichzeitigen Ahnungslosigkeit der kulturlosen Stadtführung künden. Häßlich bunte und bestimmt nicht von Leipziger Graphikern entworfene Werbebotschaften verkünden noch immer den traurigen Slogan zur Olympiabewerbung "one family", frei übersetzt "ohne Familie". Leipzig wollte Olympia, aber Leipzig braucht Kultur!

Axel Pilz, 06.12.04

Informationen zum Festival per Telefon 0341-9122011, via Internet www.theatreart.de


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