leipzigart  KUNSTJOURNAL



"Piskanderdula", die erste Abendveranstatung des 14. Festivals für Figuren-, Objekt- und Anderes Theater / globus ‘05, lief im ausverkaufen Amphitheater

21.10.05

Das eigens für das Gastspiel des international bekannten Künstlerpaares Frantisek und Vera Vitek vom Arche Theater aus Prag im Werk II errichtete Amphitheater war zur Vorstellung am 20. Oktober ausverkauft. Mehrheitlich junge Leute verfolgten aufmerksam die surrealistisch anmutende Collage aus Figurenanimationen und kurzen Marionettenspiel-Etüden, begleitet von Nonsens-Texten und Geräuschen aus alten Grammophonen, Tonbandgeräten, Drehorgeln und Kinderinstrumenten. Die legendäre Inszenierung "Piskanderdula" lebt das Medium des Figurenspiels in allen erdenklichen Facetten aus, ohne einer speziellen dramaturgischen Linie zu folgen. Dem Geruch nach altem Holz und im Schuppen vergilbten Stoffen, dem morbiden Charme der abgeschabten Stühle und Schränke entspricht die Patina der Inszenierung und das ehrwürdige Alter der Akteure. Trotz einiger Antiquiertheit, mit welcher das Werk der in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts absolut revolutionär und staatskonträr gegen die damals noch folkloristische und amateurhafte Umgebung arbeitenden Viteks heute einherkommt - die Faszination der Materie bleibt und die Achtung und Anerkennung für ein "lebendes Museum". Den damals gegen den staatlich verordneten Trend errungenen Freiraum in einer Zeit, als es die Sparte Figurenspiel als etablierte, ernst zu nehmende Theaterform de facto noch nicht gab und man sich vor quitschbuntem, kindtümelnd-niedlichen Puppenspiel- und Trickfilm-Gepiepse und den Kitschorgien der Botschafter des schlechten Geschmacks a la Karel Gott, Spejbl & Hurvinek etc. kaum retten konnte, haben die beiden tschechischen Künstler kulturhistorisch aufbewahrt. Das ist interessant für die nach ihnen herangewachsenen Generationen. Man kann sich aber auch recht gut vorstellen, das die Fülle des faszinierenden bildnerischen und szenischen Materials durch eine ordnende Hand in einen höheren Theaterhimmel hätte gehoben werden können.

Die geniale Ausstattung des Bildhauers Frantisek Vitek, welche auch an die Bildwelt anderer tschechischer Künstler erinnert, die sich mit mechanischem Theater und surrealistischem Trickfilm beschäftigen (Karel Zemans wundervolle Jules-Verne-Filme, die Trickfilme Jan Svankmaiers), versetzt den Zuschauer in eine hintergründige Phantasiewelt. Es kommen Visionen kindlicher Dachboden-Entdeckungswagnisse unserer Großeltern auf, schön-schaurige Träume und Geschichten vom Leben der Puppen (Der Zinnsoldat, Nußknacker und Mausekönig) und der (fachlich nicht vorbelastete) Zuschauer staunt über die hervorragenden Möglichkeiten des Figurentheaters, welche irdische Zwänge wie Schwerkraft und Trägheit spielend überwinden, die hingegen den Schauspieler trotz aller Höhenflüge am Boden halten.

Es ist eine hervorragende Leistung des Leipziger Festivals, dem aufgeschlossenen und interessierten Publikum die Vielfalt künstlerischer Ausdrucksformen des "Anderen Theaters" mit immer wieder beispielhaften Gastspielen nahezubringen und Linien zwischen Tradition, Entwicklung und Gegenwart, handwerklicher Qualität und erfindungsreichem Wagemut aufzuzeigen. Die Liste der auf den seit 1992 alljährlich veranstalteten Festivals präsentierten Einzelspieler und Theatergruppen liest sich wie das Who is Who der internationalen Figuren- und Objekttheaterszene und immer wieder gelingt es zudem, hoffnungsvollen Anfängern ein würdiges Podium für zukünftige Erfolge zu bieten. Neville Tranters Stuffed Puppet Theatre, der inzwischen in den Himmel entschwebte geniale britische Punch-&-Judy-Spieler Percy Press, die Objekttheater-Spezialistin Isabelle Kessler aus Frankreich, Kasoka, Handgemenge, das Train Theatre aus Israel, Credo Theatre aus Bulgarien, Green Ginger aus Wales oder das aus der Compagnie Marcel Marceau hervorgegangende Theatre Mimo Magique sollen hier stellvertretend für die vielen berühmten Teilnehmer der bisherigen Festivals genannt werden.

Axel Pilz

Hier haben wir einige Schappschüsse vom Piskanderdula-Gastspiel zusammengestellt

Informationen zum Festival: www.theatreart.de

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