leipzigart  KUNSTJOURNAL



Rasenballett. Künstler als Sportfans

Kein Zweifel, König Fußball beherrscht in diesem Sommer nicht nur deutsche Stadien, Wirtschaft und Medienlandschaft, er hat selbst die hiesige Kulturszene in seinen Dienst gezwungen. Auch im Leipziger Kroch-Haus zollt man dem Ereignis willig Tribut. Schließlich verlangen im Magazin der Universitätskunstsammlungen mehr als ein halbes Tausend Kunstwerke zum Thema Sport gelegentlich nach Öffentlichkeit.

"Rasenballett" ist der Titel eines die ballartistischen Fähigkeiten der Fußballer huldigenden Gemäldes von Werner Bielohlawek (1988). Für all jene, denen der Fußball nicht das Leben ist, steckt die einst einem begeisterten Sportreporter entschlüpfte Sprachschöpfung jedoch voll unfreiwilliger Komik. Vergleicht man da nicht unwillkürlich stramme Fußballerwaden mit den Beinen der Balletteusen? Mit diesem Augenzwinkern erhebt Wolfgang Henne seine sehr energische "Badminteuse" (Farbgraphik von 1987) zu einer Primaballerina am Ball, während Carl Marx seinen elfengleichen "Mittelstürmer" (1980) über ein bunt erotisiertes Spielfeld huschen lässt.

Wie ernst muss man Sport nehmen? Das Spannungsfeld zwischen Leistungsport und spielerischer Freizeitbeschäftigung bietet dem Künstler porträtwürdige Idole wie belächelte Witzfiguren (Willy Moese).
Liegt der Wert des Sportes in der von Ehrgeiz getragenen körperlichen Grenzüberschreitung (Willi Sitte), seiner gesundheitsfördernden Wirkung (Christine Richter) oder in der reinen Freude an Spiel und Bewegung (Bernd Hertl: Am Strand. 1980, Öl auf Hartfaser)?

Die Ästhetik vollendet kraftvoller Körperbeherrschung (Karl Hillerts Plastik "Torso Daniel" von 1986), die Eleganz der schnellen Bewegung, die absolute Konzentration (Joachim Kaiser: Schachspieler, Terrakotta), der verbissene, schmerzhafte Kampf, Stolz und Rausch des Sieges (Bernd Göbel) und die Tränen der Niederlage (Steffen Volmer: Der Zweite. Mischtechnik auf Papier, 1987) faszinieren Künstler seit jeher. Auch der ironische Blick auf staundene, wartende oder gelangweilte Zaungäste von Aktivitäten jedweder Art, die immer die anderen machen, darf nicht fehlen (Jost Braun: Training in Delitzsch, 1983). Und fernab der von Schlachtenbummlern aller Couleur aufgeheizten Atmosphäre der großen Sportarenen (Hans-Meyer Foreyth) steht über dem ländlichen Spielfeld Gott-sei-Dank noch immer hoch ein Fußball am Himmel, ohne den ein schöner Sonntag (Wolfgang Mattheuer: Landschaft mit Fußball) ebenso wenig denkbar ist wie ein Wochenende ohne Sportschau im Fernsehen (Joachim Scholz).



Jost Braun. Training in Delitzsch, 1983, Acryl auf Hartfaserplatte
(aus der Kunstsammlung der DHfK)


Die Sammlung "Sport in der Kunst"

Der überwiegende Anteil der ausgestellten Werke stammt aus der Kunstsammlung der einstigen Deutschen Hochschule für Körperkultur und Sport der DDR in Leipzig (DHfK). 1950 gegründet, erhielt sie zwischen 1952 und 1957 am Elsterflutbecken südlich des heutigen Sportforums in der Jahnallee einen großzügigen Neubaukomplex (Entwurf Hanns Hopp und Kunz Nierade). Er widerspiegelt noch heute in seinen klassizistisch beeinflussten Bauformen und seiner von Anfang an reichen baukünstlerischen Ausstattung anschaulich die Bedeutung, welche die Staatsdoktrin der jungen DDR Körpererziehung und Sport als gesellschaftsbildender, identitätsstiftender und internationale Anerkennung ermöglichender Komponente beimaß.

Mit Beginn der 1960iger Jahre fanden unter dem Aspekt der vermeintlich unmittelbar persönlichkeitsbildenden Wirkung der Kunst zunehmend Gemälde und Plastiken Eingang in die Foyers, Flure und Pavillons des Westflügels, so dass hier erstmals tatsächlich eine Galerie entstand. Werke, wie das zum Zeitpunkt seiner Entstehung 1959 stark umstrittene Porträt des Radrennidols Gustav Adolf Schur mit seiner Kindersportgruppe (Bert Heller) bezeugen das Bemühen um künstlerische Qualität.
Der eigentliche Aufbau einer Lehrsammlung "Sport in der Bildenden Kunst der DDR" begann in den 1970iger Jahren mit der Gründung des Bereich Sportästhetik. Dank bester Kontakte zu staatlichen Stellen standen stets reichlich Geldmittel zur Verfügung, um zielgerichtet Auftragswerke zu erteilen und über den Staatlichen Kunsthandel oder direkt von den Künstlern Ankäufe zu tätigen, die auch heutigen Qualitätsmaßstäben standhalten.

1991 wurde die DHfK als selbständige Hochschule geschlossen und mit veränderten Strukturen als Sportwissenschaftliche Fakultät der Universität angegliedert. Die Kunstsammlung der DHfK wird seitdem als abgeschlossener historischer Bestand von der Kustodie betreut. In Ergänzung des Bestandes wurde 2000 ein umfangreiches Konvolut an thematisch passenden Kunstwerken als Dauerleihgabe aus dem Kunstfond des Freistaates Sachsen übernommen. Auch Schenkungen und kleinere Neuankäufe erweiterten das Spektrum der Sammlung.

Doch es lohnte auch ein "sportlicher Blick" auf die "eigenen" umfangreichen Bestände der Universität. So werden als älteste Stücke auch einige bereits um die Mitte des 19. Jahrhunderts entstandene Blätter aus der Sammlung historischer Bilderbögen zu sehen sein.


Die Ausstellung ist bis zum 29. Juli 2006 geöffnet, jeweils Di-Fr 10-17 Uhr, Sa 10-13 Uhr.

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