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KUNSTJOURNAL
Die Entdeckung des Lesens. Shakespeare-Sonette
Eine bibliophile Edition mit neuen Nachdichtungen
von Jan Weilert (Berlin) und Radierungen von Peter Harnisch (Dresden)
18.3., 15 Uhr: Lesung und Buchpräsentation mit dem Dichter Jan Weinert und den Graphiker Peter Harnisch sowie Konzert mit den Vertonungen des Komponisten Philipp Riedel (München)
Die Entdeckung des Lesens. Shakespeare-Sonette
Eine bibliophile Edition mit neuen Nachdichtungen
von Jan Weilert (Berlin) und Radierungen von Peter Harnisch (Dresden)
19.3., 11 Uhr: Lesung und Buchpräsentation mit dem Dichter Jan Weinert und den Graphiker Peter Harnisch sowie Konzert mit den Vertonungen des Komponisten Philipp Riedel (München)
Radierungen und Typographien zu Shakespeare-Sonetten
Ausstellung
16.-19.3.2006, jeweils 10 bis 18 Uhr
Informationen zu weiteren Veranstaltungen auf der 15. IAKH 2006 innerhalb der Leipziger Buchmesse: www.artists-books.de
"Über kaum ein Werk der Weltliteratur ist mehr Unsinn gesagt und geschrieben und mehr intellektuelle und emotionelle Energie verschwendet worden als über Shakespeares Sonette. Sie sind tatsächlich der beste mir bekannte Prüfstein, um die Schafe van den Böcken zu trennen, das heißt jene, die die Dichtkunst um ihrer selbst lieben und ihr Wesen verstehen, von denen, die Gedichte nur entweder als historische Dokumente schätzen oder weil sie Gefühle oder Ansichten ausdrücken, die der Leser zufällig billigt."
Wystan Hugh Auden
Dies ist das eine - über die Sonette zu schreiben, zu spekulieren, oder sich der Illusion eines Verständnisses hinzugeben, die W. H. Auden in seinem Essay treffend als "ein völliges Verkennen des Wesens der Beziehung zwischen Kunst und Leben oder den Versuch, gewöhnliche müßige Neugier mit Vernunftgründen zu rechtfertigen" umschreibt. Ein anderer spannender und wesentlich substantiellerer Weg der Annäherung an die Texte ist zweifellos deren Übertragung in eine andere Sprache. Die Liste der Nachdichter ins Deutsche ist lang, die Qualität unterschiedlich. Zweifellos gehören die, wie er sie selbst nannte "Umdichtungen" von Stefan George aus den Jahren 1904 bis 1909 zu den gelungensten und langlebigsten. An deren wörtlicher Nähe zum Original orientiert sich auch der Berliner Dichter Jan Weinert während seiner Arbeit des Nachdichtens. Dennoch ist hier eine Textsammlung entstanden, die aufmerken läßt: Jan Weinert gebraucht nämlich männliche und weibliche Reime nur so, wie sie auch Shakespeare verwandte. Mit Ausnahme zweier Sonette, die durchgängig weiblich gereimt sind, hat Shakespeare sonst fast nur männliche Reime benutzt. Hält man die Reime männlich, hebt sich am Zeilenende der Ton und es entsteht ein Dur; man kann ohne rhythmischen Bruch in die nächste Zeile weiter lesen. Ist der Reim dagegen weiblich, entsteht, liest man über die Zeile hinaus, eine zweifache Senkung, eine Verzögerung und dadurch ein Moll-Klang. Die ganze Stimmung im Gedicht ist dann eine andere. Darum hat sich außer George, dem das auch nicht immer gelang, keiner der mir bekannten Nachdichter gekümmert. Liest man die englischen Strophen laut, spürt man, wie sehr bei Shakespeare die Sprache Musik ist, eine Fülle van Klängen. Jan Weinert versuchte in diesem Sinne, mit Assonanzen und Alliterationen spielend, die deutsche Sprache zu Musik zu schmelzen, so daß jedes Sonett ein in sich schwingendes Gebäude ist. Zudem ist er selbst Dichter und Verfasser eines umfangreichen lyrischen Werkes, und ein profunder Kenner von Reimen und Klängen im Gedicht. Äußerst hilfreich war es für ihn zudem, daß er einige Jahre im Ausland gelebt hat und Englisch wie eine zweite Muttersprache spricht und versteht. "Weit entfernt", sagt Weinert, "Stefan George nachahmen zu wollen, ist mir doch seine Nachdichtung von allen mir bekannten die herausragende, treueste und so die größte Herausforderung. Dennoch erscheint nach meinem Geschmack Georges Stil etwas zu sperrig und geziert. Und ich wollte Shakespeares Sprechen fließender und treibender ins Deutsche bringen.
Auch ist mir Georges Haltung oft zu ernst, zu bitter, zu verächtlich, was natürlich auch in den
Nachdichtungen durchtönt. Shakespeare, dem das Leben eine große Bühne ist, erscheint mir vielmehr selbstironisch, melancholisch, im Pathos spielerisch, närrisch-weise; eine Welthaltung, die mir näher ist und wohl eher im Ton meiner Nachdichtungen klingt."
Ohne Zweifel hat diese kenntnisreiche und leidenschaftliche Arbeit des relativ jungen Dichters Aufmerksamkeit verdient; und diese etwa nicht nur durch die sezierend-wissenschaftliche Brille der Germanisten, nein, diese Sammlung ist eine abenteuerliche und genüßliche Lektüre für jeden, der sich dem großen britischen Dramatiker und Lyriker noch ein Stück nähern möchte.
Undine Materni