leipzigart  KUNSTJOURNAL


 

Von Worten und von Weisen

Reiner Speck - ein Mann der Bücher zeigt seine Bilder

Teil I

Dass mittlerweile fast jede/r das medizinische Fachgebiet des Sammlers Dr. Speck kennt (nein, er ist weder Ophthalmologe noch Gynäkologe), hat sicherlich mit dem Reiz des Anekdotischen zu tun. Immer wieder halten sich publizistische Stimmen ungleich mehr an Specks facettenreicher Person und seinen Handlungen auf, als an der Substanz der Sammlung. Beginnt man jedoch in »Wort und Weise« umherzustreifen, so wird allzurasch klar, dass es sich hier um ein planvolles Konvolut mit persönlicher Handschrift (Schrift im Wortsinn) handelt; dass sich hier ein Ereignis wohltuend von trendorientierten und marktdiktierten Beliebigkeitssammlungen absetzt. Und das hat sehr wohl mit der Person per se zu tun; einer Person, deren Sammlungen auch vor dem Hintergrund von eigenen Reflexionen über das Sammeln wachsen:»Sammler, die nicht verschuldet sind und nicht mehr bereit sind, Wege nach Canossa anzutreten, sind in meinen Augen keine passionierten Sammler.« (Reiner Speck). Welches sind jene Wege nach Canossa? fragen wir und und geraten schon wieder in den gefährlichen Strudel der Anekdote. Nur soviel: Nicht jeder Künstler öffnet seine Studiotür begeistert, wenn der Sammler naht. Wenn wir heute in Albertinum und Schloss vor den Bildern Sigmar Polkes stehen, haben wir die Früchte eines unablenkbaren und schliesslich erfolgreichen Werbens vor uns.

Polkes, absichtsvoll oder nicht, im Eingangsbereich plazierter »Gangster« (1988) bildet mit seinem geöffneten Mantel ein wunderbares Gleichnis der uns erwartenden Sammlung und ihres Stifters. Die Sammlung Specks ist wohl auch eine Gratwanderung zwischen dem altruistischen Entbergen-Wollen von Schätzen und dem exhibitionistischen Zeigen-Müssen persönlicher Vorlieben &endash; zwanghaft in jedem Fall. Der Gestus des »Gangsters« ist erfrischend insofern, als dass er das das ganze Geschehen mit Selbstironie anbietet und dem missionarischen Effekt, der die Ausstellung im Vorfeld begleitet hat (»Das erste Mal im OstenÉ«), die Spitze nimmt. Reiner Speck konstatiert, nach der Andersartigkeit der Situation hierzulande befragt, eine &endash;leider- auffällige Unkenntnis jener »Westkunst«-Richtungen, die »Wort und Weise« zeigt. Anders jedoch, als dass bei der teils recht selbstgefälligen Kampagne um die Paul-Maenz'sche Segnung in Weimar der Fall war, sehen Speck und sein Kurator Kay Heymer Differenzen offenbar wertfrei als Naturerscheinungen an und verwenden augenzwinkernd als zweite Arbeit nach dem Polke-Intro (und auf dem Einband des Katalogbuches) eine Montage von Georg Herold »Deutschland in den Grenzen von 1989« (1995). Abgesehen von dem verhüllten Monument »Deutschland« vor dem Pavillon der Weltausstellung von 1937 und bezüglichen Assoziationen, führen hier alle Wege nach Köln. Und mit nochmaligem Blick nach Weimar: Verbundene Augen gibt es überall, auch noch 10 Jahre »Danach«.

Herolds Arbeiten bilden im Schloss, unter so kunstgeschichtlich etablierten Namen wie Marcel Broodthaers oder Walter De Maria eine wirkliche Entdeckung. Formal und medial unvorhersehbar, mit subtilem Bezug auf Text und Sprache, alles andere als selbstgefällig und bitterernst, tragen sie entscheidend zum Erfolg der Gesamtinstallation bei. Die Anordnung der anderen Kostbarkeiten erfolgt, ohne didaktische oder chronologische Penetranz bisweilen nach der schönen Methode einer Kunst- und Wunderkammer. Das Sammelprinzip, nämlich Bezug zur Literatur, zu »Wort und Weise« bleibt transparent und dennoch vermögen es die Stücke, Staunen auszulösen. Die Vitrine gewinnt ihren vormusealen Charme zurück und zeigt Miniaturfigurinen von Dan Asher, den »Kleinen Wagen mit Eiern« (1966) von Broodthaers, daneben Rosemarie Trockels subversive Strickereien nebst einem Objekt, dass sich als Wäschetrockner herausstellt. Auch in dieser magischen Atmosphäre feiert sich natürlich das Sammeln in seiner selbstvergessensten Form. Und so scheint es unmöglich, den Stifter und seine Absichten von der Präsentation zu trennen &endash; ganz wie er selbst nicht trennen mag zwischen dem literarischen und dem bildkünstlerischen Geist. Und weil »Wort und Weise« als Kunstausstellung weit über eine solche hinausweist, reicht auch die hier bemessene Zeilenzahl nicht aus und muss in die nächste Ausgabe erweitert werden. In Teil 2 (nächsten Monat) erfahren Sie dann, welches Bild Reiner Speck mit auf eine einsame Insel nehmen würde und wie ein Museum plötzlich, aber nicht unerwartet zu einem Museum von Welt werden kann. Honi soit qui mal y pense.

Susanne Altmann

Bis 22.8. im Residenzschloss Dresden, Albertinum und Hauskapelle Taschenbergpalais. Literarisches Katalogbuch für DM 39 (Dumont). Mit Beiträgen von Petrarca, Huxley, Grünbein, Proust, Celan, BeyerÉ

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