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Übernahme eines Berichts in der LEIPZIGER VOLKSZEITUNG vom 21.07.1999

Leipziger Buchschätze für immer in Rußlands Besitz?
Moskauer Verfassungsgericht bestätigt Hauptteil des Beutekunst-Gesetzes

Moskau/Leipzig/Magdeburg/Dresden (dpa/Eig. Ber.). Das nach dem Zweiten Weltkrieg von Sowjettruppen aus Deutschland verschleppte Kulturgut ist seit gestern laut russischer Justiz endgültig Eigentum Rußlands. In letzter Instanz bestätigte das Moskauer Verfassungsgericht das umstrittene Beutekunst-Gesetz in seinen wichtigsten Passagen.

Allerdings befand das Gericht das Gesetz teilweise für verfassungswidrig. In dem Urteil hieß es, Rußland sei nicht verpflichtet, Beutekunst an "Aggressorstaaten" zurückzugeben, jedoch müßten Nazi-Opfer ihre Eigentumsrechte anmelden können. Präsident Boris Jelzin hatte das Gesetz abgelehnt, weil es gegen internationale Verpflichtungen verstoße.

Mit dem Urteil werden 200 000 Kunstobjekte, zwei Millionen Bücher und Archivgut aus deutschen Museen und Privatsammlungen als Eigentum Rußlands bestätigt. Zu den verschleppten Kunstwerken gehören neben Meisterwerken der europäischen

Malerei auch der legendäre "Schatz des Priamos", den Heinrich Schliemann im 19. Jahrhundert entdeckt hatte. Allein aus Sachsen gibt es aus 30 Museen, Bibliotheken und Instituten Meldungen über Verluste, wie das sächsische Ministerium für Wissenschaft und Kunst in Dresden und der Leiter der Magdeburger Koordinierungsstelle für die Rückführung von Beutekunst gegenüber unserer Zeitung betonten. Darunter befinden sich ein Exemplar der Gutenberg-Bibel über 200 seltene Inkunabeln (Frühdrucke vor 1500) aus der Uni-Bibliothek Leipzig sowie wertvolle Handschriften des Deutschen Buch- und Schriftmuseums in Leipzig.

Der auf die Wiederbeschaffung von Beutekunst spezialisierte Leipziger Rechtsanwalt Christoph von Berg sieht in der Entscheidung "eine sehr große Gefahr". Er rechnet damit, daß Rußland die Werke verstärkt auf den westlichen Markt bringt. In den zurückliegenden Jahren hatte der Anwalt von Händlern in London, New York, Boston und Hamburg die Herausgabe von Beutekunst erreicht. Laut von Berg verstößt Rußland gegen das Völkerrecht.

Deutsche Experten sehen trotz des Urteils Möglichkeiten für weitere Verhandlungen. Aus dem Kulturausschuß des Bundestags verlautete, die Regierung arbeite an einer Rückgabe-Konzeption.

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