leipzigart  KUNSTJOURNAL



Schwippbogen, Spekulatius oder Denkmal. Unmut zum geplanten "Revolutions"-Relief in Leipzig

Zum Entwurf des "Revolutions"-Denkmals für Leipzig einer US-amerikanischen Gönnerin, der eher wie das mißlungene Muster für ein kindliches Spekulatius-Backvorhaben oder die Detailvorlage aus Knetmassse für einen Heimwerker-Schwippbogen anmutet, und den undemokratisch-kulturlos-dilletantischen Umgang mit Entscheidungen zu dessen Aufstellung gibt es zahlreiche erboste Wortmeldungen.
Eine davon kommt vom Vorsitzenden des Bundes Mitteldeutscher Grafikdesigner Ulrich Strube:

Warten im Regen, ein paar Kerzen anzünden und ansonsten sozialistisch Schlange stehen, schöne Weitergabe der Erinnerungen an die friedliche Revolution.

Bitte verstehen sie mich nicht falsch. Die Künstlerin Tucker-Frost aus Amerika kann nichts dafür, das hier eine so wichtige Diskussion entbrannt ist. Denn es geht um „Wir sind das Volk“. Alle Bürger dieser Stadt und mit Ihnen Künstler und Designer nehmen einen großen Anteil an der Gestaltung Leipzigs und sind sehr wach gegenüber dem zarten Pflänzchen Demokratie.
Angst, Zorn, Verzweiflung, Hass, Hoffnung, jahrelange Arbeit im Untergrund, all die emotional angestaute verdichtete Atmosphäre, aufgefahrene Panzer, das alles war kein Sonntagsspaziergang. Die Furcht der Familien der aktiv Beteiligten - keiner wusste, ob sie von den ersten Demos wiederkommen.
Das scheint bei den Gesprächen mit Frau Tucker-Frost nicht angekommen zu sein. Denn wie kann man zwei Jahre über dieses Denkmal beraten, ohne diese Tiefe der Geschichte zu übermitteln. Ohne den Stadtrat zu informieren. Ohne die Leipziger mit in´s Boot zu holen? Wer ist das Volk? Leistbar ist aber so ein Kunstwerk nur von betroffenen Leipziger Kollegen. Vor allem in einer dem Ereignis entsprechenden annehmbaren Qualität.
Allerdings kann ich nun verstehen, das um das Wendedenkmal, was absonderlicher Weise in Berlin aufgestellt wird, nicht besonders gekämpft wurde. Da war ja was in petto.
Die Leipziger braucht man ja nicht zu fragen. Im Zweifelsfall machen sie eine neue Revolution.
Die Künstler und Designer sind müde geworden, sich in die Geschichte der Stadt einzumischen. Wer fragt sie noch.
Wie der Schlag eines Schmetterlings (Chaostheorie) ein Erdbeben herbeiführen kann, so fördert jede kleine undemokratische Entscheidung die Beschädigung unserer wertvollen Demokratie. Erst greift die Politikmüdigkeit um sich, dann kommen wir zur Demokratur. Meine Kollegen verstehen´s nicht mehr. Wie kann ein Ältestenrat ungesehen entscheiden. Und der Kulturdezernent denkt: „Es ist bezahlt, klatschen mer´s hin!“
Ein künstlerisches historisches Gewissen entsteht nicht auf dem Weltmarkt der Kunst, sondern in seinen Wurzeln der direkten Lebenswahrnehmung. Wach werden wir sein, wie sich die Kunst im öffentlichen Raum, über den wir hier reden, weiter entwickelt wird.

Ulrich Strube
Vorsitzender des Bundes Mitteldeutscher Grafikdesigner


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