leipzigart  KUNSTJOURNAL



Skandalös, verantwortungslos und peinlich:
Trotz zahlreicher Proteste der Leipziger sowie aus dem In- und Ausland bleibt die Stadt bei der 100%-igen Streichung der bisher ohnehin minimalen Zuschüsse für das erfolgreiche Festival für Figuren-, Objekt- und Anderes Theater

Inoffiziell, aber mit Schrecken, Enttäuschung und großer Besorgnis hat unsere Redaktion erfahren, daß das Kulturamt Leipzig entgegen der Zusicherung an das Festivalbüro, im Falle der nunmehr erfolgten Rücknahme von Streichungen der Fördermittel für die Freie Szene im Jahr 2005 auch erneut Mittel zur Unterstützung des traditionsreichen und regional wie auch international beliebten Festivals bereitzustellen, in der Entscheidungsrunde Anfang Februar nochmals eine 100%-ige Kürzung der Zuwendungen vorgeschlagen hat und diese verantwortungslose Vorgabe von keinem der prüfenden und entscheidenden Ausschußmitglieder hinterfragt oder abgelehnt wurde.

Mit anderen Worten gesagt: das Kulturamt wie auch die Mitglieder des Leipziger Kulturausschusses sind allesamt der Auffassung, daß Ihre Prioritäten auf anderen kulturellen Gebieten liegen und sie das inzwischen 14-jährige finanzielle wie ideelle Engagement der Festivalorganisatoren, Festivalpartner (Eigenanteile und Investitionen) und Festivalteilnehmer (Bonus- und Freundschaftskonditionen für Leipzig) mißachten resp. ignorieren können.
Man muß sich dazu vor Augen halten: so renommierte Ensembles wie das Stuffed Puppet Theatre aus Amsterdam, Handgemenge Berlin, Green Ginger aus Wales oder Train Theatre aus Israel spielten in Leipzig für ein Bruchteil der Gagen, welche sie auf anderen wichtigen Festivals bekommen. Warum? Weil das Leipziger Festival, seine Intendanz und nicht zuletzt das Leipziger Publikum einen hervorragenden Ruf haben.
Das gemeinnützige Engagement und das nicht unerhebliche Sponsoring der Festivalmacher über mehr als ein Dutzend Jahre werden mit der unbegründeten "Prioritäts“aberkennung ad absurdum geführt.
Interessant dabei ist es, daß bei dieser ignoranten oder ahnungslosen Entscheidung in keiner Weise auf die Erfordernisse eines qualitativ anspruchsvollen Kultur- und Bildungsangebotes und die offenkundigen Bedürfnisse des Publikums eingegangen und die hervorragende Akzeptanz des Festivals, die nahezu 100%-ige Auslastung der Veranstaltungen sowie die bemerkenswerte überregionale Ausstrahlung willkürlich übergangen wird.
Es ist in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, das bedauerlicherweise keiner der Entscheidungsträger bei den überwältigend gut angenommenen Veranstaltungen des letzten Festivals zugegen war, die meisten waren in den letzten 13 erfolgreichen Jahren noch nie beim Festival und wissen offenkundig nicht, wovon überhaupt gesprochen wird. Und hier wird es richtig peinlich!

In zahlreichen Protestschreiben aus aller Welt haben Theaterbesucher, Fachleute und Künstler auf den Wert und die Wichtigkeit dieses Festivals für Leipzig hingewiesen.
Wer sich nicht beschweren und seine Ansprüche geltend machen kann, das waren und sind die vielen hundert Vor- und Grundschüler dieser Stadt, welche mit dieser Entscheidung betrogen und hintergangen werden. Pisa läßt grüßen – die Kinder danken es den städtischen Entscheidungsträgern!
Und man verkennt zudem in frappanter Weise die belebende Wirkung des Festivals im Hinblick auf seine erwiesene Funktion als kleiner aber feiner Wirtschaftsstimulator für den regionalen Mittelstand (Hotels, Restaurants, Druckereien, Werbeunternehmen etc.) sowie als Faktor für die Beliebtheit der Stadt Leipzig im Innen- und Außenblick.

Sehr wohl befürworten die Festivalmacher und leipzigart im Sinne einer kulturellen Vielfalt und nach gegebenen Möglichkeiten die Förderung auch von kulturellen Projekten, welche nur wenige fachkundige Liebhaber erreichen können, sprich kaum interessiertes Publikum finden, aber qualitativ bereichernd und anregend für die Szene wirken. Eine Aberkennung der Förderpriorität aber bei einer eingeführten Veranstaltungsreihe, welche vollen Zuspruch beim Publikum, entspechend volle Häuser sowie regionale wie internationale Wertschätzung erfährt und zudem mit einem enorm hohen Eigenanteil der Macher realisiert wird, ist nicht nachzuvollziehen.
Und dann liegt doch die Frage nahe, wieso in diesem Kontext Projekte Förderung erfahren, die kaum Akzeptanz nachweisen können, wenig Publikum erreichen und/oder deren Träger möglicherweise selbst im Kulturausschuß sitzen. Zu nennen wären beispielsweise die dünn besuchten "Sommerkonzerte für Alte Musik", deren Träger sehr eng mit dem Bürgermeisterkandidaten und Kulturausschußmitglied Robert Clemen verbundent ist, "Manöver", welches kaum öffentliche Akzeptenz erfährt, oder viele Theaterprojekte im LOFFT, die fast ohne Publikum auskommen.

Im Interesse Leipzigs ist es aber dringend anzuraten, insbesondere auch dem Festival weiterhin im Rahmen der Möglichkeiten Unterstützung zu gewähren, selbst wenn dies nur mit verhältnismäßig geringen Zuschüssen möglich ist. Geschieht dies nicht, werden die Macher prüfen müssen, in welchem Rahmen ein weiteres Engagement für Leipzig sinnvoll ist und es wird zu hinterfragen sein, wer unsere Stadt mit welchen Konzepten regiert.

Robert Bruggstein, 18.03.05

Siehe auch unsere weiteren Beiträge zum Internationalen Festival für Figuren-, Objekt- und Anderes Theater:

e-Mails aus aller Welt: Protest gegen den geplanten Rückzug der Stadt Leipzig aus der Förderung des traditionsreichen Festivals für Figuren-, Objekt- und Anderes Theater

Skandal:
Kulturamt streicht Fördermittel für das erfolgreiche Festival für Figuren-, Objekt- und Anderes Theater in Leipzig


Skandalös, verantwortungslos und peinlich:
Trotz zahlreicher Proteste der Leipziger sowie aus dem In- und Ausland bleibt die Stadt bei der 100%-igen Streichung der bisher ohnehin minimalen Zuschüsse für das erfolgreiche Festival für Figuren-, Objekt- und Anderes Theater


Leipzig sucht Politiker mit kultureller Kompetenz. Zeit für Machtwechsel in der Stadtführung

Lesen sie auch den Kommentar zum Beratergremium von Thomas Müller aus der Leipziger Volkszeitung vom 25.2.2005: Streit steht noch bevor


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